Die Daemonenseherin
er seinen Rollkragenpullover wieder darüberstreifte, sich das Schulterholster umschnallte und schließlich die Jacke anzog.
Er nahm die Pistole aus der Kiste, lud sie und schob sie hinten in den Hosenbund, die restlichen Magazine verteilte er auf Hosen- und Jackentaschen.
In der Gewissheit, so gut vorbereitet zu sein, wie es angesichts der Umstände möglich war, setzte er sich wieder hinter das Lenkrad, zog das Handy aus der Tasche und wählte Jackies Nummer. Ungeduldig zählte er jeden Ton des Freizeichens, bis endlich das erlösende »Hallo?« kam.
»Jackie, hier ist Logan.« Es fiel ihm schwer, den Zorn aus seiner Stimme zu bannen, der seit Susannahs Verrat in ihm brodelte. »Ich bin auf dem Weg zum Anwesen, um mit Devon zu sprechen.« Was nicht einmal gelogen war, auch wenn sprechen in diesem Fall vielleicht ein dehnbarer Begriff sein mochte. »Kannst du mich am Tor anmelden, damit ich durchkomme?«
Er hätte die Torwachen mit Waffengewalt zwingen können, ihn einzulassen, besser war es jedoch, die Seher bemerkten erst, dass er nicht zu einem Plausch aufgelegt war, wenn er bereits drinnen war. Je weiter er kam, ohne dass sich ihm jemand in den Weg stellte, umso besser – aufhalten lassen würde er sich heute von niemandem.
»Devon ist in einer Besprechung.«
»Dann werde ich warten«, behauptete er.
»Die Zeit könnten wir nutzen, indem du mir zum Beispiel etwas darüber erzählst, was ich heute Morgen gesehen habe«, schlug Jackie vor.
Alessa!
Seine Finger klammerten sich um den Blackberry, bis das Gehäuse knirschte. Er wagte nicht, sich auszumalen, durch welche Hölle Alessa gerade ging, allein und zurück an dem Ort, an den sie niemals wieder hatte gehen wollen. Die bloße Vorstellung, dass diese Monster im Kittel von Ärzten und Wissenschaftlern sie zu weiteren Experimenten missbrauchen wollten, trieb ihn fast zur Raserei.
»Logan?«, hakte Jackie nach.
Er zwang sich durchzuatmen und seinen Griff um das Handy zu lockern. »Meinetwegen.«
»Ich gebe am Tor Bescheid. Wie lange brauchst du?«
»Ein paar Minuten.«
»Alles klar.« Nach einer kurzen Pause sagte sie: »Ich bin froh, dass du mit mir sprechen willst.«
Logan beendete die Verbindung, schaltete das Handy ab und startete den Motor. Beinahe tat es ihm leid, dass er seine Schwägerin angelogen hatte. Ihre Sorge um Alessa schien aufrichtig zu sein – ganz im Gegensatz zu der ihres Mannes.
Wir wollen ihnen helfen , hatte Devon damals in Roberts’ Büro gesagt.
»Einen Dreck willst du«, schnaubte Logan. »Du verlogener Arsch!«
Er wendete den Wagen und lenkte ihn zurück auf die Hauptstraße. Er hätte in die Zentrale fahren und die Männer zur Verstärkung zusammentrommeln können, doch bis zum Ende des Tages würde er gegen eine ganze Liste an Gesetzen verstoßen haben. Logan war bereit, die Strafe dafür auf sich zu nehmen, solange es ihm Alessa zurückbrachte, seine Männer jedoch wollte er aus der Sache heraushalten. Sein Team musste weiterhin für die Behörde einsatzbereit sein, auch dann, wenn er es nicht mehr sein konnte.
Während der letzten Tage hatte er einen Eindruck davon bekommen, wie es sein könnte, sein Leben mit jemandem zu teilen. Wenn er daran zurückdachte, waren es nicht die Momente voller Angst und Sorge, an die er sich zuerst erinnerte, sondern die Augenblicke der Zweisamkeit, in denen sie einander geliebt, miteinander geredet oder sich einfach nur im Arm gehalten hatten. Um nichts in der Welt wollte er dieses Gefühl von Geborgenheit und Zugehörigkeit missen, nachdem er es so intensiv erfahren hatte. Die Gemeinschaft hatte sein Leben einmal zerstört. Ein zweites Mal würde er es nicht zulassen.
Jetzt trat er das Gaspedal doch durch. Der Defender schoss die Straße entlang. Logan lenkte ihn durch den Verkehr, überholte langsamere Fahrzeuge in einem ungeduldigen Zickzackkurs und presste seinen Fuß nur noch fester auf das Pedal. Er passierte den Inverleith Park, bis er die ersten Ausläufer des Anwesens erreichte. Hohe Mauern umgaben ein weitläufiges Grundstück, innerhalb dessen sich das gewaltige Gebäude erstreckte, ein riesiges Herrenhaus, gesäumt von unzähligen Anbauten und einzelnen Gebäuden, alle in einigem Abstand zu den Mauern errichtet, was das Gelände für die Wachen überschaubar und gut einsehbar machte.
Als das schwere schmiedeeiserne Tor in Sicht kam, nahm Logan den Fuß vom Gas, bog in die Einfahrt und hielt vor dem Tor. Er ließ das Fenster herunter und betätigte den Knopf an der
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