Die Daemonenseherin
Geschäftlichen zurück: »Ich sorge dafür, dass die Weißkittel morgen abgeholt werden.«
Er hob Alessa wieder hoch und trug sie aus dem Labor, hinaus ins Freie. Inzwischen war es dunkel geworden, das Anwesen war jedoch ausreichend beleuchtet, sodass er ohne Schwierigkeiten den Weg zurück zum Haupthaus fand. Devon folgte ihm bis zum Wagen und öffnete ihm die hintere Tür, damit Logan Alessa auf die Rücksitzbank legen konnte. Er holte eine Decke aus dem Kofferraum und breitete sie zusätzlich zu seiner Lederjacke über ihr aus. Mit einem letzten stummen Gruß an seinen Bruder stieg er in den Defender und fuhr los.
*
Endlich zu Hause angekommen brachte er Alessa nach oben. Während der Fahrt hatte er sie immer wieder im Rückspiegel beobachtet, ein- oder zweimal hatte sie kurz die Augen geöffnet, die meiste Zeit jedoch geschlafen. Als er den letzten Treppenabsatz erreichte, entdeckte er Avery, der oben auf den Stufen saß. Keiner aus seinem Team war je bei ihm zu Hause gewesen, entsprechend überrascht war Logan, seinen Computerspezialisten hier zu sehen. In dem Augenblick, in dem Avery ihn bemerkte, sprang er auf.
»Ist sie okay?«
Logan blieb auf den Stufen stehen und nickte. »Nur müde. Das Mittel, das sie ihr verpasst haben, wirkt noch nach.« Dann konnte er sein Erstaunen nicht länger verbergen. »Was machst du überhaupt hier?«
»In erster Linie habe ich mir Sorgen gemacht«, gestand Avery. »Ich konnte dich nicht erreichen und wollte wissen, was los ist.«
»Ich hatte mein Handy abgeschaltet. Was sagt der Arzt?«
Der Blonde winkte ab. »Mir fehlt nichts. Aber du siehst aus, als hättest du eine interessante Geschichte zu erzählen. Was ist passiert?«
»Lass uns reingehen«, schlug Logan vor und musste sich über sich selbst wundern, dass er jemanden in seine Wohnung einlud, ohne sich – wie es bei Morgans Besuchen zur Gewohnheit geworden war – über den Eindringling zu beschweren. »Ich bringe Alessa ins Bett, dann erzähle ich dir alles.«
Avery nahm ihm den Schlüssel ab und schloss auf. Logan trug Alessa den Gang entlang und deutete auf eine Tür zu seiner Rechten. »Da drin ist die Küche. Tu mir einen Gefallen und schmeiß die Kaffeemaschine an. Ich brauche eine wirklich starke Tasse voll.«
Während Avery in der Küche verschwand, brachte Logan Alessa ins Schlafzimmer und legte sie aufs Bett. Er befreite sie von der Decke und seiner Lederjacke, zog ihr den grauenvollen Kittel aus und streifte ihr seinen Flanellpyjama über, ehe er sie zudeckte. Eine Weile saß er auf der Bettkante und beobachtete ihren Schlaf.
Schließlich warf er einen Blick auf die Leuchtziffern des Radioweckers. Gerade einmal kurz nach zehn und er fühlte sich, als hätte er drei Tage und Nächte durchgemacht. Er nahm das Schulterholster ab, fischte die Magazine aus seinen Taschen und legte alles zusammen auf die Kommode. Zuletzt streifte er seinen Pullover ab und befreite sich von der Schutzweste. Er ließ die verspannten Schultern kreisen und spürte einen Schmerz im Rücken und am Arm, dort, wo ihn die Eisenstange dieses Weißkittels getroffen hatte. Die Weste mochte die Durchschlagskraft von Kugeln abhalten, war jedoch machtlos gegen jede Form von Stoßwirkung. Obwohl er sich nach einer langen heißen Dusche sehnte, verschob er das auf später, um Avery nicht länger warten zu lassen.
Als er in die Küche kam, war der Kaffee schon fertig. Avery schob ihm eine Tasse über den Tresen. Logan fing sie mitten im Schwung ab und deutete mit dem Kopf in Richtung Couch. »Setzen wir uns.«
Er ließ sich in die Polster fallen und streckte die Füße von sich. Nach einem großen Schluck Kaffee begann er seine Geschichte zu erzählen, die damit endete, wie er das Labor, zusammen mit Alessa, verlassen hatte.
Avery hatte die ganze Zeit über keine Fragen gestellt, nichts kommentiert und auch keine Witze gerissen. Erst nachdem Logan fertig erzählt hatte, wich sein Schweigen einem lauten Lachen. »Du bist allen Ernstes ins Anwesen marschiert und hast eine Geisel genommen?«, rief er in einem Tonfall, als hätte Logan einen gewaltigen Coup gelandet. »Wow!«
Für Logan hingegen waren die vergangenen Stunden in keiner Weise das Abenteuer gewesen, das Avery in seiner Geschichte zu sehen schien. »Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn sie unauffindbar gewesen wäre.«
Avery bedachte ihn mit einem langen, nachdenklichen Blick, den Logan nicht deuten konnte.
»Was?«, fragte er schließlich ungeduldig.
Der Blonde
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