Die Daemonin des Todes
Körper auszubreiten schien, weniger mit dem Klima als vielmehr mit dem heraufziehenden Grauen zu tun hatte, dem er jetzt entgegensah.
In den letzten Jahren hatte er viele Dinge getan, die er sich zuvor nie hatte vorstellen können. Heimtückische Dinge. Auch wenn sie den Anschein des Anstands erweckt hatten, waren sie doch ruchlos gewesen. Aber er hatte eine heilige Pflicht als Diener des Herrn und auch eine Pflicht gegenüber Frankreich. Und er würde alles tun, was notwendig war, um dieser Verantwortung gerecht zu werden.
Ganz gleich, wie hoch der Preis war.
Oder zumindest hatte er das gedacht. Aber dies hier… dies war unvorstellbar. Er hatte sich vor Wochen dazu bereit erklärt, aber jetzt konnte er nicht einmal mehr die Augen schließen, um zu schlafen, aus Furcht vor den Schrecken der Nacht.
Trotz der Geistervioline, die irgendwo vor ihnen spielte, waren nur wenige Leute auf der Straße unterwegs, hauptsächlich Bettler und andere arme, elende Gestalten, die wie seelenlose Wesen umherirrten und nach einem sicheren Schlafplatz suchten. Philipp fragte sich, ob sie in den Armen des Herrn nicht besser aufgehoben sein würden als im Armenhaus.
Die Glocken von Ste. Genevieve verklangen, als er und seine Männer ihre Pferde vor dem Haus seiner Mätresse zugehen. Sie stiegen ab, und seine Ritter blickten sich forschend um und vergewisserten sich, dass niemand sie beobachtete. Frederick nickte ihm zu, und Philipp gab ihm die Zügel seines Rosses und klopfte leise an die Tür, während seine Ritter die Pferde in die dunkle Gasse neben dem Haus führten.
Nach einem Moment wurde die Tür geöffnet und Philipp blickte in das Gesicht des Dieners seiner Mätresse.
»Wirst du mich einlassen, Antoine, oder willst du mich bloß begaffen?«, fragte Philip.
Antoine fuhr schuldbewusst zusammen. So schnell er konnte riss er die Tür weit auf, sank dann ehrerbietig auf die Knie und schlug die Augen nieder.
»Oh, steh auf, du Narr«, fauchte Philipp. »Sage deiner Herrin, dass ich hier bin. Ich habe heute nicht viel Zeit.«
Der bleiche, stumme Diener erhob sich und drehte sich zur Haupttreppe um, die sich hinter ihm nach oben schraubte. Aber er hätte sich die Mühe sparen können. Als Philipp aufblickte, entdeckte er sie oben am Ende der Treppe, wie sie ihn anlächelte, nur in ein sündhaftes, atemberaubendes Neglige gekleidet.
»Richtig«, sagte sie. »Es ist ratsam, keinen Verdacht zu erregen.«
Philipp hing wie gebannt an ihren Lippen, als sie sprach. Dann flüsterte er ihren Namen: »Veronique.«
Sie kam die Treppe herunter, senkte den Kopf und verbeugte sich tief. »Eure Majestät«, sagte sie, und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Dürften wir vielleicht erfahren, was Euch zu dieser späten Stunde und in solcher Eile zu uns führt?«
König Philipp warf Antoine einen misstrauischen Blick zu.
Veronique lächelte. »In meinen Gemächern.«
Dann machte sie kehrt und stieg die Treppe wieder hinauf. Philip folgte ihr und wunderte sich zum vielleicht tausendsten Mal über die Unverfrorenheit dieser außergewöhnlichen Frau. Er hatte schon weit weniger beleidigendes Verhalten mit Exekution bestraft. Aber Veronique würde er niemals auf diese Weise bestrafen. Er liebte sie. Er konnte gar nicht anders. Von ihr ging eine pulsierende Sinnlichkeit aus, die bei ihm jeden Versuch eines rationalen Gedankens im Keim zu ersticken schien. Er war fraglos kein junger Mann mehr, doch ihre bloße Gegenwart genügte, um die schamlosesten Fantasien in ihm auszulösen.
Und sie erfüllte jede einzelne davon.
Doch darüber hinaus war Veronique eine überaus kluge Frau. Sie verstand die Mission, die der Herr Philipp auferlegt hatte, und ihre Ratschläge hatten ihm mehrfach geholfen, seinen göttlichen Auftrag erfolgreich durchzuführen. Veronique verstand viel von der Staats- und Kirchenpolitik, die ihn erdrückte, und so lächerlich ihm dieser Gedanke noch vor Jahren erschienen wäre, so war sie inzwischen nicht nur seine Geliebte und Vertraute, sondern auch seine vertrauenswürdigste Ratgeberin.
Philipp folgte Veronique in ihre Gemächer und beobachtete fasziniert, wie das Neglige ihre seidige Haut umschmeichelte. Als er ihr Schlafzimmer betrat und fast unbewusst die Tür hinter sich schloss, spürte er zum ersten Mal seit Tagen, wie die Schuld, die auf ihm lastete, ein wenig leichter wurde.
»Oh, meine Geliebte…«, flüsterte er, als er zu ihr trat und sein Gesicht in der honigsüßen Seidenkaskade ihrer Haare vergrub.
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