Die Dame aus Potsdam
ist das reinste Vergnügen«, stellte sie fest, als der Mercedes am Bahnhof Drewitz einige besonders ausgeprägte Straßenaufbrüche bewältigen mußte.
»Wir kommen jetzt in eine interessante Gegend; dort liegen die DEFA-Studios, früher Ufa, wo die Dietrich von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt war. So, jetzt die dritte rechts. Die Querstraße ist es«, wies die Kommissarin den Weg. »Hier in der Rosenstraße 416a starb Silke Marino.«
Die Tore der Doppelgarage standen zum Auslüften weit offen. Mit einem rot-weißen Band war der Zugang gesperrt.
»Wir brauchen gar nicht erst auszusteigen«, sagte die Kommissarin. »Der Erkennungsdienst hat schon Beute gemacht. Ich nehme an, der Wagen steht im Präsidium. Also weiter!«
Nach einer endlos erscheinenden Kurbelei auf den Katzenköpfen der ramponierten Babelsberger Straßen empfand Ahrens es als Befreiung, im Hof des Gebäudes an der Von-Tresckow-Straße den Autoschlüssel abziehen zu können. »Uff – es reicht!«
»Danke fürs Chauffieren«, sagte Freiberg. »Willst du erst Pause machen oder gleich dabeisein, wenn wir über den Fall sprechen?«
»Dabeisein ist alles!« antwortete Ahrens spontan.
Freiberg hatte es nicht anders erwartet.
Die Begrüßung war überschwenglich.
Noack hatte für einen kleinen Imbiß gesorgt, um die Reisenden aufzumuntern. Kaum eine halbe Stunde später saßen auch die Mitarbeiter der Morduntersuchungskommission und des Erkennungsdienstes am Besprechungstisch mit dem blitzblanken Helle-Eiche-Dekor.
Kriminaloberkommissar Hurler von der MUK referierte den Stand der Ermittlungen. »Wir müssen davon ausgehen«, erklärte er mit Nachdruck, »daß Silke Marino – ich möchte sagen fachmännisch – ermordet worden ist. Freitod scheidet aus! Der oder die Täter müssen ihr in der Garage aufgelauert haben. Das heißt, er oder sie dürften auch – ungefähr jedenfalls – den Zeitpunkt ihrer Rückkehr gekannt haben. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wurde sie zunächst mit Chloroform betäubt; mit wenigen Handgriffen war dann der Gartenschlauch – wir wissen noch nicht, woher er stammt – ins Auspuffrohr gesteckt und mit dem Paketklebeband befestigt und abgedichtet. Das Festklemmen im Fenster und das Verstopfen des Schlitzes bot kein besonderes Problem. Der Tod war programmiert; der Motor lief weiter, bis der Tank leer war.«
»Wie ein billiges Schmierenstück«, sagte Gruppenleiter Noack. »Worauf gründet Ihre Vermutung, daß Chloroform benutzt wurde?«
Kriminaloberkommissar Otte vom Erkennungsdienst, ein hagerer, angegrauter Enddreißiger, antwortete: »Wir haben einen kleinen Fetzen Zellstoff gefunden, der mit dem Betäubungsmittel getränkt war; es liegt also die Folgerung nahe, daß dem Opfer dieser Zellstoff vors Gesicht gehalten wurde. Die chemische Untersuchung des Materials läßt keinen Zweifel, daß es sich dabei um Chloroform gehandelt hat. Die Handtasche lag auf dem Beifahrersitz. Sie enthielt das Übliche: Geldbörse und Ausweispapiere, Schminkutensilien, Papiertaschentücher usw. – keinen Abschiedsbrief. Der Schlüsselbund mit allen Schlüsseln, also auch für die Wohnung, steckte im Zündschloß. Wir haben deutliche Fingerabdrücke an dem Klebeband gefunden, die einer rechten Hand zuzuordnen sind – sie stammen nicht von der Toten. Es scheint, als habe der Täter den rechten Handschuh ausgezogen, um das Klebeband abzureißen, was nicht gelungen ist; er hat die Restrolle einfach drangelassen. Danach muß der Täter den Handschuh wieder übergestreift haben, denn an der Scheibe und im Wagen sind die Fingerabdrücke nicht wieder aufgetaucht.«
»Das Band würde ich mir gern mal ansehen«, sagte Kommissarin Lette.
»Kein Problem, das sitzt noch alles am Fahrzeug.«
Die weitere Berichterstattung übernahm Oberkommissar Hurler. »Die Durchsuchung der Wohnung war nicht sehr ergiebig. Auch dort kein Abschiedsbrief. Das hier könnte vielleicht interessant sein.« Er zeigte auf einen Aktenordner. »Es handelt sich um eine Sammlung – wie könnte man sagen – von Lebensbildern.«
Noack schüttelte den Kopf. »Was soll das sein?«
»Die Marino hat Lebensläufe und Daten von Leuten gesammelt, mit denen sie – wie es scheint ^ beruflich zu tun hatte.« Hurler schob den Ordner über den Tisch. »Sie sollten ihn mal durchblättern.«
Freiberg schlug die Seiten um. Angelika Lette und Ahrens sahen aufmerksam zu. Auch Noack machte einen langen Hals. Es war ein ungegliedertes Sammelsurium von
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