Die Dame aus Potsdam
urteilen – zwei oder drei Wohnungen. Auf dem Hof rangierte ein Sattelschlepper, der einige Mühe hatte, die Pfosten des Ausfahrttores nicht zu beschädigen.
Das große Büro diente zugleich als Ausstellungsraum für Kfz-Zubehör und roch nach Farben, Gummi und Öl. Eine brünette Frau mittleren Alters saß an einem Schreibtisch und wälzte Kataloge; ein Paravent bot nur unzulängliche Abschirmung. Aber so hatte sie alles im Blick, und die Gefahr der Selbstbedienung durch eine gewisse Sorte von Kunden konnte in Grenzen gehalten werden.
»Herr Hartenstein ist für ein paar Tage auf Geschäftsreise«, erfuhr Lupus. Das war nicht neu; Fräulein Kuhnert hatte diese Auskunft auch schon telefonisch bekommen.
»Dann möchte ich gern mit Frau Mühlberg sprechen.«
»Die kümmert sich ums Ladegeschäft. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, gehen Sie am besten rüber in die alte Halle – da müßten Sie sie treffen.«
Lupus dankte. »Ist schon recht. Ich sehe mich dort mal um.«
In der Halle setzte ein Gabelstapler Pkw-Reifen um, und ein Ford Transit wurde mit Kartons beladen. Nach den aufgedruckten Bildern enthielten sie Lampen, Spoiler und anderes Zubehör. Die einzige Frau in der Halle hantierte in einem kleinen Glaskäfig, der als Abfertigungsbüro diente.
Lupus zog die Tür auf. »Darf ich Sie mal kurz sprechen, Frau Mühlberg?«
»Ach bitte, vielleicht in einer halben Stunde im Büro. Ich habe jetzt keine Zeit«, sagte die Frau, die auch im blauen Overall eine recht gute Figur machte. Sie trug das Haar kurz geschnitten; die paar grauen Strähnen ließen sie noch nicht alt wirken.
Lupus trat ein und zog die Tür hinter sich zu. »Doch, Sie haben gewiß Zeit für mich – entweder hier oder drüben im Büro.«
»Nun werden Sie mal nicht aufdringlich, mein Herr. Hier bestimme immer noch ich!«
»Das mögen Sie glauben«, sagte Lupus mit einem Lächeln, das Ärger verhieß.
»Ich werde Sie durch meine Arbeiter an die frische Luft setzen lassen.« Sie hob die Hand, um an die Scheibe zu klopfen.
Lupus drückte ihren Arm herunter. »Halt, Madame! Werfen Sie erst mal einen Blick auf meine Hundemarke. Den Dienstausweis können Sie auch gern sehen. Hier bitte.«
»Ach so, Kriminalpolizei«, sagte Ilse Mühlberg und lächelte. »Dann gehen wir am besten nach drüben und machen es uns bequem.«
Lupus war verblüfft; er hatte nach dem Vorgeplänkel eine andere Reaktion erwartet. Zehn Minuten später saß er in einem bequemen Sessel im Wohnzimmer oberhalb des Geschäftslokals. Hier merkte man nichts mehr von der Häßlichkeit des Betonblocks. Das Wort gemütlich traf den Kern der Sache. Orientteppiche, Polstermöbel, Schränke aus Eibenholz und eine Vitrine mit teurem Porzellan verstärkten den Eindruck, daß Ilse Mühlberg zu leben verstand.
»Sehen Sie sich nur um – das ist mein Zuhause«, sagte sie.
Durch die offenstehende Tür fiel der Blick in den anschließenden Raum, in dem ein Personalcomputer auf dem Schreibtisch stand. »Meine Werkstatt. Ich führe die fremdsprachliche Korrespondenz und übersetze wissenschaftlich-technische Texte. Spanisch ist meine zweite Muttersprache. Meine Eltern sind nach dem Krieg nach Buenos Aires emigriert. Ich bin später nach Deutschland zurückgekommen.«
»Sind Sie – oder waren Sie verheiratet?« fragte Lupus, ohne allerdings den richtigen Ton für den beabsichtigten harten Einstieg in das Gespräch zu finden.
Ilse Mühlberg sah ihn prüfend an. »Ja, ich war verheiratet. Mein Mann ist vor einigen Jahren bei einer Fahrt über die Transitstrecke nach Berlin tödlich verunglückt. Es soll ein Bruch in der Lenkvorrichtung gewesen sein.«
»Das tut mir leid. Kinder haben Sie nicht?«
»Nein. Ich bin frei, ungebunden und kümmere mich ums Geschäft.«
»Wohnt Herr Hartenstein auch hier?«
»Eine Etage höher; er ist mein Mieter. Das Haus gehört mir.«
Lupus grinste. »Ach so, Risikoverteilung. – Und wo ist der Chef jetzt?«
»Unterwegs – geschäftlich. Aber wollen Sie nun mit ihm oder mit mir sprechen?«
»Mit Ihnen, und ich werde es kurz machen. Sie und Herr Hartenstein haben am Sonnabend mit einigen anderen an einem Essen bei dem Ehepaar Munskau teilgenommen. Frau Randolf aus Potsdam war auch dabei. Ihr Mann ist am Bismarckturm erschossen worden. Haben Sie den Toten gekannt?«
»Ja, sicher. Nach dem Bild in der Zeitung wußte ich sofort, daß es Valentin Randolf war. Hartenstein hatte häufiger geschäftlich mit ihm zu tun.«
Lupus sah die Frau, die ihren Overall
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