Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See
Vilgefortz. Gestehe, ihr wolltet die Cintrierin fangen und euch mit ihr Emhyrs Gunst erkaufen?Jetzt, da das Mädchen nicht mehr lebt, habt ihr nichts mehr zu bieten, nicht wahr? Emhyr lässt euch vierteilen, also wirklich. Ihr werdet nicht das Haupt erheben, weder du noch der Zauberer, mit dem du dich gegen uns verbündet hast!«
»Niemand von uns wird das Haupt erheben, Joachim«, warf der Bass ein. »Wir müssen der Wahrheit ins Gesicht sehen. Wir sind keineswegs in einer besseren Lage als Skellen. Die Umstände haben bewirkt, dass wir alle im selben Boot sitzen.«
»Aber der Uhu war es, der uns in dieses Boot gesetzt hat! Wir hätten insgeheim handeln müssen, und nun? Emhyr weiß alles! Die Agenten Vattiers de Rideaux suchen im ganzen Imperium nach dem Uhu. Und uns hat man, um uns loszuwerden, in den Krieg geschickt, also wirklich!«
»Genau darüber«, sagte der, der die Silben dehnte, »wäre ich froh, das würde ich mir zunutze machen. Den Krieg, der im Gange ist, haben alle schon satt, versichere ich den Herren. Die Armee, das einfache Volk und vor allem die Kaufleute und Unternehmer. Allein schon die Tatsache, dass der Krieg ein Ende hat, wird im ganzen Kaiserreich Freude auslösen, unabhängig davon, wie der Krieg ausgeht. Aber die Herren haben ja als Heerführer den Einfluss auf den Verlauf des Krieges, wenn ich so sagen darf, ständig in Reichweite. Was ist einfacher, als im Falle eines den bewaffneten Konflikt beendenden Sieges die Lorbeeren zu ernten? Und im Falle einer Niederlage als Männer, die, von der Vorsehung geschickt, die Verhandlungen anpacken, welche dem Blutvergießen ein Ende bereiten?«
»Stimmt«, sagte nach einer Weile der Knarrende. »Bei der Großen Sonne, das ist wahr. Ihr habt recht, Herr Leuvaarden.«
»Emhyr«, sagte der Bass, »hat sich den Strick um den Hals gelegt, indem er uns an die Front schickte.«
»Emhyr«, sagte der Exaltierte, »lebt noch, mein Herr Fürst. Er lebt und ist wohlauf. Wir wollen nicht das Fell des Bären aufteilen.«
»Nein«, sagte der Bass. »Vorher erlegen wir den Bären.«
Das Schweigen dauerte lange.
»Also ein Attentat. Der Tod.«
»Der Tod.«
»Der Tod!«
»Der Tod. Das ist die einzige Lösung. Emhyr hat Anhänger, solange er lebt. Wenn Emhyr stirbt, werden uns alle unterstützen. Auf unsere Seite wird die Aristokratie treten, denn die Aristokratie sind wir, und die Kraft der Aristokratie liegt in der Solidarität. Auf unsere Seite wird ein erheblicher Teil der Armee treten, vor allem der Teil des Offizierskorps, der sich an Emhyrs Säuberungen nach der Niederlage von Sodden erinnert. Auf unsere Seite wird sich das Volk stellen …«
»Weil das Volk ungebildet, dumm und leicht zu manipulieren ist«, beendete Skellen den Satz, nachdem er sich geschnäuzt hatte. »Man braucht nur ›Hurra!‹ zu rufen, eine Rede von den Stufen des Senats herab zu halten, die Gefängnisse zu öffnen und die Steuern zu senken.«
»Ihr habt vollkommen recht, Graf«, sagte der Silbendehner. »Jetzt weiß ich, warum ihr so lauthals für die Demokratie eintretet.«
»Ich warne«, knarrte der, den sie Joachim nannten, »dass uns das nicht so glatt von der Hand gehen wird, meine Herren. Unser ganzer Plan fußt darauf, dass Emhyr stirbt. Aber wir dürfen nicht die Augen vor der Tatsache verschließen, dass Emhyr viele Anhänger hat, er hat die Einheiten der inneren Armee, er hat eine fanatische Garde. Es wird nicht leicht sein, sich durch die Brigade ›Impera‹ hindurchzuschlagen, und die, gebt euch da keinen Illusionen hin, wird bis zum Letzten kämpfen.«
»Und hier«, verkündete Stefan Skellen, »bietet uns Vilgefortz seine Hilfe an. Wir werden den Palast nicht belagern und uns nicht durch die ›Impera‹ hindurchschlagen müssen. Die Sache erledigt ein einzelner Attentäter mit magischem Schutz. So wie in Dreiberg, unmittelbar vor der Rebellion der Magier auf Thanedd.«
»König Radowid von Redanien.«
»Jawohl.«
»Vilgefortz hat so einen Attentäter?«
»Ja. Um euch unser Vertrauen zu beweisen, meine Herren, will ich euch sagen, wer es ist. Die Zauberin Yennefer, die wir gefangen halten.«
»Gefangen? Ich habe gehört, dass Yennefer mit Vilgefortz gemeinsame Sache macht.«
»Sie ist seine Gefangene. Verzaubert und hypnotisiert, programmiert wie ein Golem, wird sie das Attentat ausführen. Worauf sie Selbstmord begehen wird.«
»Irgend so eine verzauberte Hexe passt mir nicht recht«, erklärte derjenige, der die Silben dehnte, und vor
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