Die dem Mond ins Netz gegangen - Lene Beckers zweiter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
Karte gespeichert waren. Da wäre es leichter gewesen. Ich kann sie mir gleich ansehen. Kommst du? Dann warte ich auf dich.«
» Klar komme ich. Bin ja selbst gespannt. Sind übrigens die Speichelproben von Philippe, Florence und Jean-Pierre schon im Labor? Ich habe da noch eine – hoffentlich falsche – Theorie.«
Als Luc antwortete, blieb ihr nur ein »Was? Das kann doch nicht wahr sein!« So ein Mist. Der Polizist vom Strand, der die Urlauber, die das Naturistencamp über den Strand verlassen wollten, zurückschicken sollte, hatte sich wohl gerade von seinem Platz entfernt, als Jean-Pierre zurückgegangen war. Auf jeden Fall war er nicht durch die Eingangsbarriere gekommen und als sie den Strandpolizisten gefragt hatten, hatte der verlegen, wenn auch pampig, gesagt, dass er ja auch einmal zur Toilette müsse.
» Und sein Partner? War er allein da?«
Luc fluchte. »Der hat sich gerade etwas zu Essen besorgt. Na, wir wissen ja, wo wir Jean-Pierre finden. Kannst du nicht auf dem Weg hierher bei ihm vorbei fahren und ihn mitnehmen?«
» Aber jetzt ist Siestazeit, die Pizzeria ist bis mindestens fünf geschlossen.« Dabei spürte sie ein deutliches Knurren ihres Magens. „Versuche doch ihn auf seinem Handy zu erreichen.«
» Ha, ha, von dieser Erfindung haben sogar schon wir Franzosen gehört. Aber im Ernst - ich kriege immer nur die Mailbox.«
Sie beeilte sich. Zurück, Anziehen. Sie entschied sich für ihr türkisfarbenes Kleid, das zu diesem perfekten Tag passte. Dann fand sie noch ein Stück Baguette, das sie trocken während der Fahrt aß. Musste genügen.
Luc sprang sofort auf, als sie sein Bür o betrat. »Komm, ich hoffe so …« und raus war er, vor ihr herlaufend. Ihre Absätze klapperten laut auf dem gefliesten Boden. Als sie das technische Labor betraten, führte er sie weiter zu einem großen Raum, der ein wenig einem, wenn auch kleinen, Kino ähnelte. »Unser Besprechungsraum«, sagte er kurz, aber sie hörte seinen Stolz heraus. Es war auch ein wirklich sehr modern eingerichteter Raum, die leuchtend blauen Kinosessel mit Schreibbrettern wie in der Uni ausgestattet. Da sind uns die Franzosen einfach voraus, in Architektur und selbst der geschmackvollen Einrichtung eines solchen Zweckraumes. Unserer in Nürnberg kann da nicht mit, dachte sie und sah ihre wirr durcheinanderstehenden unbequemen Holzstühle vor sich.
Kaum saßen sie, ging schon das Licht aus. Dann helles Licht auf der großen Leinwand vor ihnen. Das erste Bild. Brigitte lachte in die Kamera. So lebendig, so hübsch, so leuchtend. Dann gutgelaunte Freundinnen, Florence und Brigitte, gefolgt von einer Aufnahme von Florence und Philippe. Sie schienen auf einem Ausflug zu sein. Und dann kam ein Foto von einer Landschaft, die sie kannte. Der steil ansteigende, bewaldete Berg Montségur. Oben ein kegelförmiger Felsen und darauf die Ruine der Burg Montségur. Verfallen, und doch erhaben. Ein beeindruckender Anblick.
» Wusstest du, dass diese Burg eine seltsame Geschichte hat? Nachdem sie 1244 nach der endlosen Belagerung an die Kreuzritter des Bischofs von Narbonne übergeben worden war, wollte man die Katharer zwingen, ihrem Glauben abzuschwören und sich dem katholischen Glauben anzuschließen. Als sie sich weigerten, wurden zweihundertundfünfundzwanzig Katharer mit ihrem Bischof Bertrand Marty verbrannt. Die gesamte Führungselite. Dann versuchte man die Burg zum Teil zu zerstören. Das gelang aber nicht wirklich und so errichtete man eine neue Burg, bei der man die alten Grundmauern mit einbezog. Der neue Teil zerfiel aber schon nach zweihundert bis dreihundert Jahren. Geblieben ist nur diese Ruine der Katharerburg, die immer wie ein mahnender Zeigefinger wirkt, findest du nicht auch?«
Lene nickte. »Das mit der neuen Burg habe ich nicht gewusst. Glaubst du, es gibt noch Mauern aus der Zeit der Katharer? Sonst wäre Brigittes Geschichte ja hinfällig.«
» Da die oben drauf gesetzte, quasi angestückelte Burg verfiel, meint man, dass gerade die jetzigen Grundmauern noch original von der Katharerburg stammen. Doch, Brigittes Geschichte kann schon stimmen, denke ich. Auch wenn sie ziemlich außergewöhnlich ist. Aber wir sind ja flexibel, oder?«
Lene musste lachen. »So kann man es auch sehen.«
Dann weitere Bilder von den Freunden, von Jean-Pierre besonders viele. Lene musterte ihn genau. Aber sein Gesichtsausdruck war immer freundlich, gelassen. Einmal lachte er lauthals, man konnte ihn fast hören. Ein tolles Foto.
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