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Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)

Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)

Titel: Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Gricksch
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geschah.
    Ich stieß also die Tür auf. Mit mehr Wucht, als ich wollte! Susann wurde dadurch zurückgeschleudert und krachte mit dem Hinterkopf gegen den Flurspiegel, der in tausend Scherben zerbrach! Fassungslos betrachtete ich, wie sie danach völlig apathisch dastand, mich mit großen, leeren, geschockten Augen anstarrte.
    Ich wusste nicht, was ich tun sollte.
    Und dann kam plötzlich Sven aus Susanns Schlafzimmer geschossen! Das sah ich noch aus dem Augenwinkel: Er hatte in ihrem Bett gelegen! Und er trug nur eine Unterhose!
    War das jetzt noch wichtig?
    Ich wusste es nicht.
    Sven schoss auf mich zu. Todesmutig, muss man fast sagen. Er warf sich laut kreischend auf mich! Es lag nicht nur an meinem volltrunkenen Zustand, dass ich umkippte. Irgendwie ließ ich mich auch fallen. Ich wollte nicht mehr stehen. Ich wollte abtauchen. Während ich stürzte, sah ich Susann, die immer noch starr dastand. Fassungslos.
    Sven saß auf meinem Brustkorb, und ich tat gar nichts. Für ein paar Sekunden hockte er nur auf mir drauf, und ich schloss die Augen. Doch dann schlug er mir mit der Faust ins Gesicht! Und ich war nicht nur mit einem Mal wieder hellwach, sondern klinkte endgültig aus: So ging das nicht! Das war falsch! Er war doch das Schwein! Er hatte mit meiner Freundin im Bett gelegen! Und jetzt sollte ich es sein, der die Prügel kassierte? Beim nächsten Schlag, den der weiß Gott nicht besonders kräftige Sven bei mir landen wollte, bekam ich seine Hand zu fassen. Ich packte sie und ließ sie nicht mehr los.
    »Du Schwein!«, schrie Sven und zappelte hysterisch herum.
    Und da stieß ich ihn von mir, kam selbst wieder auf die Beine, und als wir uns gegenüberstanden, dachte ich überhaupt nicht mehr, sondern schlug nur zu. Ein einziger, harter Schlag. Und ich traf genau dorthin, wohin ich treffen wollte: Svens Gesicht.
    Der Hieb warf ihn förmlich durch den Flur. Er stieß dabei eine Blumenvase um, krachte mit dem Arm gegen die Wand und landete schließlich mit dem Hinterkopf in den Scherben des Spiegels. Ich torkelte auf ihn zu, halb stolperte ich, halb warf ich mich auf ihn und wollte dem Mann, der mir meine Freundin wegnehmen wollte, gerade einen weiteren gehörigen Faustschlag versetzen. Bis ich das Blut sah! Es lief in einem dünnen Streifen über seine Schläfe, seine Wange, sein Ohr und sammelte sich zu einer immer größer werdenden Pfütze auf dem Teppich.
    Ich ließ sofort von Sven ab! Susann, die sich inzwischen aus ihrer Apathie gelöst und einen Regenschirm geschnappt hatte, den sie nun wie eine Keule schwang, starrte mich an. »Geh!«, schrie sie schließlich. »Geh weg!«
    »Ich …«
    »Geh!«, schrie sie noch einmal. Und ihre Stimme überschlug sich.
    »Das ist eine Unverschämtheit, dieser Lärm! Hallo, Sie da oben! Ich habe die Polizei gerufen!«, rief die schrille Stimme einer Frau aus dem Treppenhaus.
    »Rufen Sie auch einen Krankenwagen!«, rief Susann der unsichtbaren Helferin zu. »Und du«, jetzt zischte sie nur noch und warf mir einen eisigen Blick zu, »verschwindest! Für immer!«
    Ich zögerte immer noch, wollte alles rückgängig machen, die letzten Minuten zurückspulen und löschen, zumindest erklären, um Verzeihung bitten, helfen, büßen … irgendwas! Doch ich stand nur da, zitternd, wankend.
    »Hau ab!«, brüllte Susann in einer Stimme, die ich noch nie gehört hatte.
    Und da ging ich.
    Ich schlich die Stufen des Treppenhauses hinab. Im ersten Stock schloss sich hastig eine Tür, als ich herunterkam.

    Susann legte sofort auf, als ich sie am nächsten Morgen anrief. Und in Svens Wohnung nahm niemand ab.
    Ich fühlte mich entsetzlich, so schrecklich wie noch nie in meinem Leben. War ich das? Habe ich das wirklich getan? Nur einmal in meinem ganzen Leben hatte ich mich mit jemandem geschlagen – bei jenem legendären Schulhofkampf, bei dem Petra und Dille deutlich mehr Kampfgeist an den Tag gelegt hatten als ich. Ich hatte mich nie für gewalttätig gehalten – selbst in meiner Autonomen-Zeit hatte ich es nie übers Herz gebracht, für einen Polizisten eine wirklich ernsthafte Gefahr darzustellen. Ich war allerhöchstens ein Verbalaggressor. Doch dann die letzte Nacht!
    Ich verstand mich nicht mehr!
    Ich bekam Angst vor mir.
    Von meiner Scham über das, was ich Sven und Susann angetan hatte, ganz zu schweigen! Alles, wirklich alles hätte ich getan, um diesen Vorfall wieder gutzumachen. Doch wie sollte das gehen? Das Ganze war irreparabel.
    Hatte ich Sven schwer verletzt? Ich

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