die Detektivin in Jeans
Fünfundzwanzig
Mark!
Mit diesem Geld wäre sie
gerettet. Sie hatte dann nicht nur die erste Monatsrate beisammen, sondern mit
ihrem wöchentlichen Taschengeld beinahe auch schon die beiden nächstfälligen
Zahlungen.
Sie setzte die Pakete ab. Ihre
Hand griff nach dem Geld. Sollte sie...? Ihre Hand zitterte.
Und wenn sie nur das
Fünfmarkstück nahm...?
Nein, das fiel auf. Alles oder
nichts mußte sie nehmen.
Ob Herr Seibold sich daran
erinnerte? Frau Ansbach wußte nicht, daß es abgegeben worden war. Und Herr
Seibold vergaß es bestimmt. Gesine hatte ihn schon oft zerstreut erlebt. Er
wußte nie, wo er seine Brille hingelegt hatte und suchte ständig seine Pfeife.
Selbst wenn es ihm tatsächlich einfiel, dann würde er eher vermuten, er habe
das Geld irgendwo in seinem Arbeitszimmer abgelegt oder in seine Tasche
gesteckt und es auf seinem Spaziergang verloren. Gesine würde er gewiß nicht
verdächtigen.
Gesine wickelte das Geld in ihr
Taschentuch und verbarg es in der Gesäßtasche ihrer Jeans.
Leider hatte Gesine etwas nicht
bedacht: In der Behandlung von alltäglichen Nebensächlichkeiten mochte Florian
Seibold vielleicht gelegentlich nachlässig sein. Doch Geld oder Schriftstücke
betreffend, war er gewissenhaft. Seine langjährige Praxis als Rechtsanwalt
hatte ihn dazu erzogen.
Außerdem bereitete es ihm
Vergnügen, Frau Ansbach mit diesem Himbeergeld zu necken.
„Wenn Sie keinen Wert auf Nebeneinnahmen
legen — ich kann sie gebrauchen. Die Himbeeren bleiben stehen!“ hatte sie
damals gesagt und ihm die Hacke aus der Hand genommen.
„Die Himbeeren sind uralt. Sie
tragen nicht mehr“, hatte Herr Seibold gemault.
„Abwarten. Und wenn sie tragen,
dann kriegen Sie keinen Pfennig davon“, hatte Frau Ansbach gedroht. Und dann
lockerte sie die Erde, schnitt die wildwuchernden Ranken ab, düngte den Boden
und bewässerte ihn das ganze Frühjahr hindurch.
Und wirklich, die Himbeeren
erholten sich und blühten in diesem Sommer wie seit Jahren nicht mehr. Den
Jungfichten schien es nicht zu schaden. Sie reckten keck ihre kleinen Kronen
und setzten üppig wunderschöne gelbgrüne Triebe an.
Florian Seibold freute sich
darüber.
Doch er war ein Schalk. Er
konnte es nicht lassen, andere zu necken. Als er mit Susi vom Spaziergang
zurückkam, ging er geradewegs in die Küche.
„Ihr Kamillentee ist fertig“,
empfing ihn Frau Ansbach. Sie stand in der Anrichte und hob die Kuchenreste von
den verschiedenen Platten auf einen Einzelteller.
„Kamillentee!“ sagte Herr
Seibold wegwerfend. „Wie wäre es mit einem Stück Kuchen? Die Schokoladentorte
habe ich noch nicht probiert.“ Er wendete sich an den Dackel. „Was meinst du,
Susi, ob wir noch was kriegen?“
Susi hechelte heißhungrig und
fuhr mit der feuchten rosigen Zunge über ihre Nase.
„Kommt nicht in Frage“, wehrte
Frau Ansbach energisch ab. „Sie haben heute schon genug gesündigt. Eher werfe
ich das Zeug in die Mülltonne.“
„Angesichts der Millionen
Hungernden in der Welt wäre das eine viel größere Sünde.“
Frau Ansbach lachte. „Ich werde
nie begreifen, daß Leute sich mit dieser Begründung die Bäuche vollschlagen und
ihre Gesundheit ruinieren. Die Hungernden in der Welt profitieren nur dann von
den Fleischtöpfen der Satten, wenn diese ihren Konsum einschränken und das
Geld, das sie dadurch einsparen, den Hungernden schicken, damit diese sich
Lebensmittel kaufen können.“
„Und Ihre Himbeeren waren
madig!“ sagte Herr Seibold bissig.
Frau Ansbach blickte ihn an,
als wäre er geistesgestört. „Wie kommen Sie denn jetzt auf meine Himbeeren?“
Herr Seibold deutete
schmunzelnd auf den Küchenschrank. „Der Junge von Schallers hat Geld für Sie
gebracht.“ Er sah die leere Schrankablage. „Ach, Sie haben es schon
eingesteckt.“
Frau Ansbach schüttelte den
Kopf. „Ich habe kein Geld gesehen.“
Herr Seibold trat zum Schrank
und klopfte mit dem Zeigefingerknöchel auf die Ablage. „Hier habe ich es
hingelegt. Fünfundzwanzig Mark. Ein Schein und eine Münze.“
„Nein“, beharrte Frau Ansbach.
„Auf dem Schrank lag nichts.“
Florian Seibold kramte in
seinen Rock- und Hosentaschen. Doch alles, was er zutage förderte, war sein
Brillenetui, Tabaksbeutel, ein Taschentuch und ein Hausschlüssel mit Anhänger.
Frau Ansbach sah den Schlüssel.
Sie streckte ihre Hand danach aus und bemerkte: „Sie haben ihn wieder nicht ans
Schlüsselbrett gehängt! Geben Sie ihn mir, bitte! Sonst geht der auch
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