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Die Deutsche - Angela Merkel und wir

Die Deutsche - Angela Merkel und wir

Titel: Die Deutsche - Angela Merkel und wir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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ihr geht, ist der Plan aus dem Paulaner’s aufgegangen. Modische Brille, Piercingam Ohr – sie gehört zu den jungen Frauen, denen die CDU jetzt wieder gefällt. Im Herbst 2009 hat sich die 26-Jährige aus dem Saarland in den Bundestag wählen lassen. Zur Verabredung kommt sie aus der Plenarsitzung ins Bundestagsrestaurant, die Sonne verschwindet gerade im Westen hinter Merkels Kanzleramt. Als Merkel Parteivorsitzende wurde, war Nadine Müller 16 Jahre alt und seit einem Jahr Mitglied der Jungen Union. Ende 1998 war sie eingetreten, wegen der bevorstehenden Landtagswahl. Oskar Lafontaines SPD empfand sie damals als alt und verstaubt, Peter Müller galt als jung und wild. Dass Helmut Kohl trotz seiner Wahlniederlage noch immer als Patriarch der Bundespartei auftrat, störte sie nicht. »Vielleicht hatte die CDU Glück, dass ich mich damals für Bundespolitik nicht interessiert habe«, sagt sie.
    Zunächst ging Nadine Müller zum Jurastudium nach Heidelberg, sie wollte Journalistin werden, »das, wovon alle träumen – Zeit, Spiegel, Stern « . Sie nennt die Blätter, von denen Kohl einst als »Hamburger Mafia« sprach und in denen Merkels Minister später mit kuscheligen Interviews um die politische Mitte warben. Als Müller an die Uni kam, diskutierte die CDU gerade über Steuern und die Kopfpauschale, es war die Zeit des Leipziger Parteitags. Für solche Themen interessierte sich die Studentin nicht besonders. Sie warf sich lieber auf die Anfängervorlesung im Staatsrecht, konzentrierte sich auf ihre Hausarbeiten. Die Noten waren gut, der Professor ließ fragen, ob sie bei ihm Hilfskraft werden wollte. Sein Name war Paul Kirchhof. Müller erledigte für ihren Chef Literaturrecherchen, heftete in seiner »Forschungsstelle Bundessteuergesetzbuch«die Artikel fürs Pressearchiv ab. Sie las, wie sehr ihr Chef für seine radikalen Vorschläge zur Vereinfachung des Steuerrechts bewundert wurde. Dann kam Kirchhof überraschend in Merkels Kompetenzteam für den Wahlkampf 2005, er musste dort den Platz freihalten für den zaudernden Edmund Stoiber. Auf einmal war er der weltfremde Professor aus Heidelberg. »Das tat richtig weh«, sagt Müller. »Die Partei hat ihn hängen lassen, sie hätte ihn besser coachen müssen.«
    Über die Angela Merkel des Leipziger Parteitags und des Kirchhof-Wahlkampfs mag später in der CDU keiner mehr gern reden. Auch ein Anruf bei Norbert Blüm, den die Chefin in Leipzig gedemütigt zurückließ, bleibt zum zehnten Jahrestag von Merkels Wahl ergebnislos. »Sie können gern kommen, aber ich sage Ihnen gleich: Es hat keinen Zweck.« Auch Brunnhuber tut so, als habe es Leipzig im Grunde nicht gegeben. Er sagt, schon damals habe keiner so recht daran geglaubt. »Auf der Heimfahrt haben die Delegierten schon diskutiert, ob das gut geht. Die meisten haben Leipzig zu Hause im Wahlkreis nie verteidigt.« Es sei ein Glück gewesen, dass die CDU damals nicht regiert habe, »so wie Schröder wär’s uns auch gegangen«. Immerhin habe es Merkel mit der Bierdeckelsteuer geschafft, ihren Rivalen Friedrich Merz einzubinden und zu zähmen.
    Zweimal geriet Brunnhuber mit Merkel wirklich aneinander. Das erste Mal stritt er mit ihr über den Ministerpräsidenten Günther Oettinger und seine Trauerrede für den Vorgänger Hans Filbinger. Beim zweiten Mal war die Papstkritik der Kanzlerin der Grund. In Sachen Filbinger gab der Schwabe seiner Vorsitzenden später recht.
    Hat Merkel denn überhaupt nichts falsch gemacht, aus Sicht des Konservativen Brunnhuber – wenn sie sogar recht hatte, als er mit ihr stritt? »In der Opposition kannst du keine Fehler begehen«, beginnt er. »Das gilt auch in der großen Koalition.« Er zögert kurz. »Den Koalitionsvertrag mit der FDP, den hat sie vielleicht nicht scharf genug formuliert. Sie wollte schnell regieren. Aber wer hätte gedacht, dass die FDP so unfähig ist zum Kompromiss?«
    Vielleicht muss man die Untiefen dieser Koalition ausloten, um zu sehen, wie sehr Merkel die CDU verändert hat, wie sehr sie die Partei vom alten Kohl’schen Bündnis mit der FDP entfernt hat. Nadine Müller macht im Bundestag Frauenpolitik, zum Frauentag 2010 handelte sie mit der FDP einen Antrag zur Gleichstellung aus – falls man von Verhandlungen sprechen will, denn die FDP-Leute beharrten stur auf ihrer Position: In den Antrag durfte nichts hinein, was die Wirtschaft irgendwie verpflichtet hätte. Zähneknirschend gaben die Unionspolitikerinnen nach, sie mussten sich dafür

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