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Die deutsche Seele

Die deutsche Seele

Titel: Die deutsche Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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Bürgerschicht stärken. Und Lübeck wird nicht nur der Schauplatz eines der bedeutendsten bürgerlichen deutschen Romane sein, sondern auch der Herkunftsort der Familie des Autors, Thomas Mann. Diese Familie wird im 20. Jahrhundert beispielhaft für die Verteidigung der Würde der Deutschen wirken.
    Der - abgesehen von den Manns - heute bekannteste Hanseat ist ein Seeräuber, ein roher Kerl, der angeblich vier Liter Bier in einem Zug austrank, Klaus Störtebeker. Vor seiner Hinrichtung auf dem freien Platz in der Stadt Hamburg, um 1400 soll es gewesen sein, habe er mit den Ratsherren ausgehandelt, dass er als Enthaupteter an seinen Mitverurteilten vorbeischreiten dürfe, und jeder, an dem er ohne Kopf vorbeikäme, sei zu verschonen. Es heißt, der Henker habe ihm ein Bein stellen müssen, um dem Spuk ein Ende zu bereiten.
    Nach Störtebeker ist ein Bier in Stralsund benannt, das Bier der Gerechten. In Ralswiek auf Rügen gibt es die Störtebeker-Festspiele, und von Achim Reichel hat man Das Störtebekerlied.
    Manchmal, man muss es schon sagen, hat das Volk eine komische Laune. Es möchte dann lieber der Gesetzlosigkeit ausgeliefert sein, statt einen geordneten Schiffsverkehr und seine Vorteile zu akzeptieren.
    Die größte Angst nach der Angst vor dem Tod scheint die Angst vor der Langeweile zu sein. Die Hanse aber ist ein gutes Beispiel dafür, wie Geschichte sich den Raum gibt, den sie zu ihrer Entfaltung braucht. Sie wächst und zerfällt beinahe von selbst. Dazwischen aber liegen ganze vier Jahrhunderte, in denen es um die Ware ging, um Tuche und Pelze, um Wachs und um Salz, um Salzfisch und Gerste, um Holz und um Bier. Die flämischen Tuche, die holländischen, die Tuche aus England, Tuche des Westens, die in den Osten gingen, die Pelze, die im Gegenzug aus dem Osten kamen, aus Russland, Livland und Preußen. Die Pelze und das Wachs. Das Wachs für das Licht.
     
    >Arbeitswut, Ordnungsliebe, Vereinsmeier

Heimat
     
    Heimat kann ein kostbares Gut sein oder auch nur ein gemütlicher Ort. Heimat ist etwas, das jeder haben kann, vorausgesetzt er erhebt darauf Anspruch.
    Die Heimat beruft sich auf die Kindheit, und ohne die Herkunft kommt sie nicht aus. Herkunft meint die Zugehörigkeit und die Kindheit das Aufwachsen bei dieser Zugehörigkeit. Heimat ist Ort und Zeit in einem, sie ist angehaltene Vergänglichkeit. Mit einem Mal ist die Landschaft wieder vertraut, und die Muttersprache wendet sich Wort für Wort zur Mundart, zum Dialekt.
    Zur Heimat hat die deutsche Öffentlichkeit ein kompliziertes Verhältnis, es sei denn, Heimat steht für etwas anderes und ist ein Ersatz. Sie kann Wahlheimat sein oder Neue Heimat, wie sich schon mal eine Wohnungsbaugesellschaft des DGB genannt hatte.
    »So entsteht in der Welt etwas, das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat«, meint Ernst Bloch und macht das Bild damit zum Begriff. Das aber wirft ein weiteres Schlaglicht auf das Verhalten deutscher Intellektueller des vorigen Jahrhunderts. Wo es mit gusseiserner Logik nicht weitergeht, bringen sie die Utopie ins Spiel. Alles, was nicht per Aufklärung fassbar wird, ist in ihren Augen nicht zu verorten. Diese Hartnäckigkeit aber ist nicht nur Ausdruck des alten deutschen Gegensatzes zwischen Geist und Macht, sie kennzeichnet auch die Chronik der Missverständnisse zwischen den Denkern und den Bürgern, zwischen Öffentlichkeit und Gesellschaft in Deutschland.
    Doch, Heimat! Es gibt sie! Und sie ist dort, wo man etwas zum ersten Mal erlebt hat, etwas, das sich so stark einprägt, dass alles andere, alles spätere, einer Wiederholung gleichkommt. Das Gefühl aber, das man bei der Erinnerung an dieses erste Mal hat, nennt man Heimweh!
    Ich habe gelesen, habe nachgedacht. Ich habe geschlafen, bin wach geworden, mitten in der Nacht, und hatte das Wort »Deutschland« auf den Lippen. Das Wort »Deutschland« und dann das Wort »Muttersprache«.
    Ich war plötzlich wieder das Kind im fernen Banat. Dort, im Dreiländereck Ungarn, Rumänien und Serbien. Meine Vorfahren waren zwei Jahrhunderte davor ins Banat gekommen. Sie sind von Ulm aus die Donau runtergefahren.
    Das Banat war damals eine österreichische Provinz und später eine ungarische und nach dem Ersten Weltkrieg eine rumänische. Wir aber blieben Banater Schwaben und wurden unversehens zu einer deutschen Minderheit. Wir waren keine Auswanderer, aber wir wurden zu Staatsgestrandeten Kakaniens.
    Ich stand als Kind im Hof unseres Familienhauses, am

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