Die deutsche Seele
der Nationalinteressen durch die kommunistischen Machthaber, für die Verbrechen bei der Usurpation der Macht verantwortlich gemacht zu werden, den Sündenbock zu stellen. Während die Nazis als Techniker des Genozids in Erscheinung traten, blieb Stalin ein Techniker der Macht. So konnte er die Sowjetunion in ihren Grenzen von 1940 für ein halbes Jahrhundert positionieren.
Friedensbewegung (2): Nicole aus dem Saarland gewinnt mit ihrem Lied Ein bisschen Frieden 1982 den Grand Prix d’Eurovision.
Sie ist am Ende des Krieges Siegermacht, gleichberechtigt mit den Westmächten. Mehr noch. Während England und Frankreich zwar als Sieger gelten, aber ihre Bedeutung verloren haben, befindet sich Stalins Russland im Zenit seiner Hegemonialmöglichkeiten. Der Diktator des Proletariats schmückte mit seinem Konterfei 1942 bereits zum zweiten Mal die Titelseite des Time Magazins - als Mann des Jahres (zum ersten Mal erhielt er den Titel 1939; im Jahr davor war es Hitler, angeblich wegen seines großen Einflusses auf das Weltgeschehen. Man darf es auch Appeasement nennen).
Der Westen hat Hitler besiegt, aber mit Stalins Hilfe. Man hat das Bündnis mit dem Verbrecher als ein taktisches betrachtet, und der Preis dieser Unterschätzung des Totalitären war entsprechend hoch. Sie führte zur Verharmlosung des Gulag und letzten Endes zum Kalten Krieg als Dauerzustand.
Der Sowjetunion ist vor diesem Hintergrund ein neuer Typ von Imperialismus geglückt. Moskau hat sich zum Zentrum der Weltrevolution ausgerufen. Es wird mit dem Kriegsende nicht nur zum Hauptgegner des Westens, sondern auch Hauptsprecher aller Gegner dieses Westens. Damit beginnt der Kalte Krieg, und es bedeutet die Teilung Deutschlands und Europas insgesamt in Einflusszonen der beiden Supermächte. Im Zeichen des Kalten Kriegs gab es für alles und jedes den Beifall von der falschen Seite. Das Faktum, dass die Waffen schwiegen, verhalf den Worten zu umso größerer Macht. Begrenzen ließen sie sich nur durch Entwertung. Und eine Entwertung ergab sich laufend aus der Bezichtigung des Wortes, aus der Wortverdrehung.
Es war kein neuer Westfälischer Friede in Sicht. Er musste noch warten. Bis 1989. Und dann war es 1989, und alles wurde neu. Es ist Frieden in Europa, und Deutschland trägt dazu bei.
Kriegslied
Matthias Claudius (1779)
‘s ist Krieg! ’s ist Krieg!
O Gottes Engel wehre,
Und rede Du darein!
‘s ist leider Krieg - und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!
Was sollt’ ich machen,
wenn im Schlaf mit Grämen
Und blutig, bleich und blass,
Die Geister der Erschlagnen zu mir kämen,
Und vor mir weinten, was?
Wenn wackre Männer,
die sich Ehre suchten,
Verstümmelt und halb tot
Im Staub sich vor mir wälzten und mir fluchten
In ihrer Todesnot?
Wenn tausend tausend Väter,
Mütter, Bräute
So glücklich vor dem Krieg,
Nun alle elend, alle arme Leute,
Wehklagten über mich?
Wenn Hunger, böse Seuch’ und ihre Nöten
Freund, Freund und Feind ins Grab
Versammleten, und mir zu Ehren krähten
Von einer Leich’ herab?
Was hülf mir Krön’ und Land und Gold und Ehre?
Die könnten mich nicht freun!
‘s ist leider Krieg - und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!
>• German Angst, Grenzen, Grundgesetz, Puppenhaus, Wiedergutmachung
Kulturnation
Das meiste, was die Französische Revolution auf die Tagesordnung brachte, scheidet heute noch die Geister. Zu ihren großen Themen gehört, und das wird viel zu selten betont, die Nation. Das hin und wieder irreführende Dreigestirn »Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit« bezieht sich stets auch auf diese. Die Nation wird zum Instrument des ersten modernen Diktators in Europa: Napoleon. Er hat sich ungebeten zum Garanten der Bürgerrechte erklärt und, damit keine Zweifel aufkommen konnten, das bürgerliche Gesetzbuch sogleich in »Code Napoleon« umbenannt. Er wollte damit sagen: Die Revolution bin ich.
Deutschland, in dem bis dahin mitunter wortgewaltig die Zerstückelung des Alten Reichs, die vielbeschworene Kleinstaaterei, beklagt wurde, die Staatsnation aber höchst selten anvisiert war, hatte angesichts der napoleonischen Übermacht ein akutes Problem der Mobilisierung zur Verteidigung des Vaterlands.
Was sollte man als Deutscher denn auch verteidigen? Den Ordnungsstaat Preußen, den habsburgischen Josephinismus, und das gegen ein Frankreich des Code Napoleon? Deutschland war nicht nur zerrissen wie eh und je, es hatte sich weitgehend
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