Die deutsche Seele
Was ist an die Stelle des Pfarrhauses getreten?
Wir erinnern uns: Die Theologen haben das Feld geräumt, um den Philosophen Platz zu machen. Die Philosophen haben ebenfalls aufgegeben. Sie tun so, als würden sie nur noch den Kräutergarten des Klosters verwalten. Jetzt sind die Therapeuten dran. Sie benötigen nichts als ein Klingelschild.
Die Spaßgesellschaft macht die Seele anonym. Lautstark ist nur ihre Betrachtung.
Das Pfarrhaus ist Museum. In Wittenberg ist es das Lutherhaus, ein Klosterhaus, das der Reformator von seinem Landesherrn als Geschenk erhielt, in Eisenach ein Pfarrhausarchiv mit Bibliothek. Dort kann man sich ein Bild von der Sache machen und vielleicht auch noch eine Vorstellung von ihrer Bedeutung.
>Arbeitswut, Mutterkreuz, Reformation, Reinheitsgebot
Puppenhaus
Nürnberg, 1632
Mein Kind, es ist Krieg. Mach alle Türen zu und Fenster. Ich will ein schönes Haus dir bauen.
Ein Tummelplatz von Waffen ist das Reich, verödet sind die Städte, Gewerb und Kunstfleiß liegen nieder, der Bürger gilt nichts mehr, der Krieger alles, straflose Frechheit spricht den Sitten Hohn, und rohe Horden lagern sich, verwildert in dem langen Krieg, auf dem verheerten Boden. Mein Herz müsst brechen, wenn ich den Untergang erleben sollt’, der nunmehr unsrer freien Reichsstadt droht. Doch Gustav Adolf wird uns schützen, ich sah den Schwedenkönig hoch zu Ross, sein Pferd ist gut genährt, ganz glänzend noch das Fell, die Stadt ist wohl verschanzt, ein acht Fuß tiefer, zwölf Fuß breiter Graben zieht sich um den ganzen Wall und wird uns schützen vor der Feinde Wut.
Mein Kind, schau her, schon steht das zierliche Gerüst, drei Stockwerk hab ich dir gebaut, mit stolzen Giebeln auf dem Dach. Die Treppen führen dich durchs ganze Haus, auch in der kleinsten Kammer ist noch Raum für Zierrat, Werkzeug, alles, was das Leben braucht. Wie soll ich dir die Decken malen, schlicht weiß mit einem grünen Band von Laub? Die Wände schmück ich dir mit dunklem Holz, Vertäfelung so fein geschnitzt, wie selbst ein Herzog sie nicht feiner haben kann.
Jetzt wein doch nicht, mein Kind. Verschließ die Ohren, wenn böse Stimmen dir erzählen, wie es dem jammervollen Magdeburg ergangen, wie alles Raub der Flammen ward, wie Mensch und Tier und Hab und Gut dort brannten, wie Kinder ihre Eltern suchten, mit Herz zerschneidendem Geschrei durch Trümmer irrten, wie Frauen in den Armen ihrer Männer, wie Töchter zu den Füßen ihrer Väter schlimmstes Leid erdulden mussten, wie Mordgesellen ohne Herz im Leib den Säugling spießten an der Mutter Brust. Ein grausenvolles Schicksal war’s, für welches die Geschichte keine Sprache, die Dichtkunst keinen Pinsel hat.
Schau her, hier kommt der Hausrat, den ich dir bestimmt. Ganz oben wollen wir beginnen. Ein Himmelbett mit Strohsack, Leintuch, Federbett, ringsum geschützt von einem Vorhang blau, dann Schrein und Truhe, Lade für die Kleider. Dort in die Ecke kommt der Ofen, daneben steht der Tisch mit Stühlen, Sessel.
Das älteste bekannte Puppenhaus der Welt ließ der bayerische Herzog Albrecht V. im Jahre 1558 erbauen, um seine Residenz en miniature bestaunen und vorführen zu können. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts begannen Nürnberger Patrizierfamilien, bei den Spielwarenherstellern der Stadt reich geschmückte Puppenhäuser in Auftrag zu geben. Im Jahre 1632 erreichte der Dreißigjährige Krieg auch Nürnberg. Bis 1635 starben zwei Drittel der Bevölkerung an den Folgen der monatelangen Belagerung durch Wallensteins Heer. Das abgebildete Puppenhaus wird auf die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts datiert.
Bank, auch Tischtuch und Servietten fehlen nicht. Siehst du den Leuchter und die Kerzen? Die Laute, Harfe, das Spinett, Gebetbuch, Chronik und das Würfelspiel? Vor allem aber sieh die Küche! Den Brotkorb, Krautkorb, Fladennapf. Die Teller fein aus Holz und Zinn, die Platten, Gläser, Krüge, Wannen. Geh an das Salzfass, sieh hinein! Ich schenk dir Zucker, Butter und ein Kuchenrädchen.
Bleib hier, sei still, mein Kind! Soldaten sind’s, die klopfen, Soldaten aus des Schwedenkönigs Heer. Sie werden uns nichts tun, sind nicht gekommen, um zu rauben. Nach Suppe nur verlangen sie, nach einem Kanten Brot, der eine sei so schwach, dass er sich kaum mehr auf den Beinen halten kann.
Geht fort, geht fort von unsrer Schwelle! Wir haben nichts, der Hunger wütet auch bei uns. Das letzte grüne Äpfelchen, ich gab es meinem Kind vor Tagen schon. Geht fort, ihr bringt
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