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Die Deutschen im Osten Europas: Eroberer, Siedler, Vertriebene - Ein SPIEGEL-Buch

Die Deutschen im Osten Europas: Eroberer, Siedler, Vertriebene - Ein SPIEGEL-Buch

Titel: Die Deutschen im Osten Europas: Eroberer, Siedler, Vertriebene - Ein SPIEGEL-Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Großbongardt
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Land der Welt. In Krakau leistete er dem polnischen König den Lehnseid und erhielt dafür Ostpreußen – nun als erbliches Herzogtum. Aus dem Hochmeister war über Nacht ein Herzog geworden – und die Hohenzollern waren im Besitz einer großen Enklave im Osten, Hunderte Kilometer von Berlin entfernt. Von nun an wurde es zum strategischen Ziel des Hauses, die Neuerwerbung näher an ihr Kernland Brandenburg zu binden. Begehrlich blickten die Hohenzollern daher auf den westlichen Teil Preußens mit Danzig und hofften, diese Region einmal aus Polen lösen zu können. Doch Albrecht stabilisierte zunächst die Lage im Inneren seines multiethnischen Herzogtums. Eifrig verbreitete er Luthers Lehre und druckte den Katechismus in den vier Landessprachen Deutsch, Polnisch, Litauisch und Prußisch. 1544 gründete er die evangelische Universität Königsberg
und machte Preußen zum Zufluchtsort für Protestanten aus ganz Europa.
    Mit harter Hand versuchten fortan die preußischen Herzöge, in Personalunion Kurfürsten von Brandenburg, die letzten Widerstände zu brechen. So ließ Friedrich Wilhelm einen nach Polen geflüchteten Widersacher sogar in einem Teppich eingerollt aus Warschau entführen und 1672 in der Festung Memel enthaupten. Man müsse »stets ein wachendes Auge« auf Preußen werfen, warnte der Kurfürst. Im Kampf gegen die auf ihre Autonomie bedachten adligen Gutsbesitzer setzte er auf zwei Institutionen, die bald als klischeehaft deutsch gelten würden: Armee und Verwaltung.
    Seit Mitte des 17. Jahrhunderts feilten die Brandenburger am Aufbau eines stehenden Heeres. Von 3000 Soldaten im Jahr 1641 schwoll die Truppenstärke binnen eines Jahrhunderts auf 80 000 an. »Allianzen sind zwar gut«, beschrieb Friedrich Wilhelm 1667 den Kern seiner Politik, »aber eigene Kräfte noch besser.« Er baute die Verwaltung aus und schuf ein Generalkriegskommissariat. Damit konnte er auch die Macht des widerspenstigen ostpreußischen Landadels untergraben. Denn nun boten sich Bauern und niedrigen Adligen steile Karrierechancen. So schuf sich Preußen den Typus des treuen Beamten, der das Land modernisierte – und stark machte für außenpolitische Abenteuer.
    Der britische Gesandte George Stepney ahnte, dass es um mehr ging. »Jeder weiß, wie wichtig dem Kurfürsten seine absolute Souveränität im Herzogtum Preußen ist«, schrieb er 1698 an sein Außenministerium. »Deshalb wünscht der Kurfürst, sich durch einen außergewöhnlichen Titel von den anderen Fürsten abzusetzen.« Der Diplomat sollte recht behalten.
    Zweieinhalb Jahre später brach in Berlin eine riesige Wagenkolonne auf, laut einem Chronisten waren 1800 Kutschen
und 30 000 Pferde nötig, um Herzog Friedrich von Preußen mit seinem Gefolge nach Königsberg zu chauffieren. Dort ließ er sich in seinem Audienzzimmer einen prachtvollen Thron anfertigen. Dann setzte er sich am 18. Januar 1701, bekleidet mit einem karminroten Hermelinmantel, eigenhändig die Krone auf. Sechs Millionen Taler ließ sich Friedrich I. seine prunkvolle Selbstkrönung zum König kosten. Doch seine Rechnung ging auf: Das heterogene Preußen und Brandenburg wuchsen mit dem neuen Titel enger zusammen. An Europas Höfen sprach man mit Respekt über den ehrgeizigen Emporkömmling – und befürchtete zugleich, Preußen werde bald auch mit militärischen Mitteln den Sprung zur Großmacht wagen.
    Der Zeitpunkt dafür kam dennoch völlig überraschend. Bei klirrender Kälte und ohne Kriegserklärung griff Friedrich II., Enkel des ersten Preußenkönigs, im Dezember 1740 Schlesien an – ein Überfall auf die mächtige Habsburgermonarchie, zu der die wohlhabende Provinz gehörte. Der Preußenkönig machte sich wenig Mühe, den offensichtlichen Rechtsbruch zu verschleiern, seine gut gedrillten Truppen rückten mit atemraubender Geschwindigkeit vor. Nun zahlte sich aus, dass besonders Friedrichs Vater, »Soldatenkönig« Friedrich Wilhelm I., die Regionalmacht Preußen-Brandenburg zu einem straff organisierten Staat in Waffen gemacht hatte. Das Heer galt dem launischen Asketen als seine »einzige Freude« und Garant einer unabhängigen Außenpolitik. Jetzt eilte sein Sohn von Sieg zu Sieg, seinen Kämpfern hatte er ein »Rendezvous mit dem Ruhm« versprochen. Und tatsächlich eroberte Friedrich Schlesien binnen Wochen. Staunend beschrieben Augenzeugen die Kampfkraft und Disziplin der Infanterie, die Schulter an Schulter wie »sich bewegende Mauern« mit 90 Schritten pro Minute vorrückte.

    Die

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