Die Diagnosefalle: Wie Gesunde zu Kranken erklärt werden (German Edition)
der Preventive Services Task Force.
Die PSTF ist gegen Vorsorgeuntersuchungen bei Frauen auf periphere arterielle Verschlusskrankheit, Karotisstenose und Aneurysmen in der Bauchaorta. Keine Empfehlung gibt die PSTF zu Vorsorgeuntersuchungen auf Aneurysmen der Bauchaorta bei Männern, die nie geraucht haben. Sie empfiehlt lediglich einen Test für Raucher und ehemalige Raucher im Alter von fünfundsechzig bis fünfundsiebzig Jahren und räumt ein, dass viele der neuen Patienten, die bei Untersuchungen entdeckt werden, Opfer einer Überdiagnose sind. Diesen Menschen wird unnötig Angst gemacht. Einige erhalten eine Behandlung, die ihnen nicht hilft, aber mit erheblichen Risiken verbunden ist.
Selbst die beste Vorsorgeuntersuchung dieser Art, bei der es um Aneurysmen in der Bauchaorta geht, ist ein heikler Balanceakt zwischen Nutzen und Schaden, wie Tabelle 8.1 belegt. 16 Die Tabelle stützt sich auf mehrere Studien, an denen über 120 000 Männer im Alter von fünfundsechzig Jahren und älter teilgenommen haben. Etwa die Hälfte dieser Männer wurde untersucht, die andere Hälfte nicht. Die Tabelle zeigt, wie es beiden Gruppen im Laufe von fünf Jahren erging. 17
Tabelle 8.1 Eine Entscheidungshilfe für Männer, die über eine Vorsorgeuntersuchung auf Bauchaortenaneurysmen (BAA) nachdenken
BAA-Vorsorgeuntersuchung: Nutzen und Schaden
Ergebnisse nach 5 Jahren
1000 Männer nicht auf BAA untersucht
1000 Männer auf BAA untersucht
Hat der BAA-Test geholfen?
Zahl der Männer, die an Aneurysmen der Bauchaorta starben
3,4
1,9
Todesfälle (alle Ursachen)
14
14
Hatte der BAA-Test Nachteile?
Zahl der Männer, bei denen eine große Operation notwendig war, um Aneurysmen zu reparieren
5
11
Zahl der Männer, bei denen wegen des BAA-Tests eine unbestimmte Zahl von Nachfolgeuntersuchungen
notwendig war
0
55
Die Vorsorgeuntersuchung verringerte die Wahrscheinlichkeit, innerhalb von fünf Jahren an einem gerissenen Aneurysma zu sterben, um fast die Hälfte. Da diese Wahrscheinlichkeit jedoch von Anfang an gering war, kam dieser Vorteil nur 1,5 Männern von 1000 zugute (3,4 – 1,9). Auf die Zahl der Todesfälle insgesamt hatte der Test keine Auswirkung; sie war in beiden Gruppen gleich.
Auf jeden Mann, der dem Tod durch Aneurysmen dank der Untersuchung entging, kamen drei, die unnötig behandelt wurden. Mit anderen Worten: Sie wurden grundlos operiert. Wie immer gilt auch hier, dass Operationen zu Herzanfällen, Blutgerinnseln und Durchblutungsstörungen der Beine, der Nieren und des Darms führen können. Natürlich könnte ein Teil dieser Männer nach Ablauf der fünf Jahre von der Untersuchung profitiert haben (die Lebenserwartung eines fünfundsechzigjährigen Amerikaners beträgt rund siebzehn Jahre). Darum wissen wir nicht, ob bei ihnen eine Überdiagnose vorliegt oder nicht. Gleichzeitig wurde mehr als 5 Prozent der untersuchten Männer mitgeteilt, ihre Aorta sei zwar anormal, aber nicht so sehr, dass eine sofortige Operation notwendig sei. Man müsse sie jedoch regelmäßig untersuchen, vielleicht jahrelang. Einige dieser Männer bekommen irgendwann zu hören, sie müssten operiert werden. Weitere Überdiagnosen sind also wahrscheinlich.
Angenommen, ein Arzt sagt Ihnen, Sie hätten ein Aneurysma, aber eine Operation sei noch nicht erforderlich. Wie würden Sie reagieren? Würden Sie sich alle sechs Monate untersuchen lassen, möglicherweise viele Jahre lang? Männer, die über eine Vorsorgeuntersuchung nachdenken, sollten über die Ängste Bescheid wissen, die sie ertragen müssen. Brian Nolan, ein Gefäßchirurg und einer meiner Kollegen, befragte 34 Männer, die in unserer Klinik regelmäßig untersucht werden, und stellte fest, dass viele sich in der Tat Sorgen machen: 7 Prozent der Männer hatten Einschlafprobleme, 25 Prozent fühlten sich hilflos, und 48 Prozent berichteten von unangenehmen Grübeleien. Aber wie es einigen Männern wirklich geht, sobald sie von ihrem Aneurysma wissen und ständig überwacht werden, drücken ihre eigenen Worte am besten aus: »Ich haben jeden Tag das Gefühl, dass wenig oder gar nichts unternommen wird«; »Meine Familie macht sich größere Sorgen über einen Riss als ich. Sie behandeln mich wie einen Invaliden und wollen nicht, dass ich irgendetwas trage«; »Ich nehme meine Enkelkinder nicht auf den Schoß«; »Mir ist, als trüge ich eine Bombe in mir, die jederzeit explodieren kann«.
Es gibt keine richtige Antwort. Eine Vorsorgeuntersuchung auf Aneurysmen der Bauchaorta
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