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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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zurückgerissen und fiel zu Boden. Ihre Hand umklammerte den Griff des Messers, hielt die Klinge drohend hoch. Ein Tritt gegen ihren Brustkorb ließ sie aufschreien.
    »Das ist eine Dame der Königin. Verschwindet!«, ertönte plötzlich eine Stimme aus der Ferne. Dann blitzte ein Schwert auf, und leuchtend blaue Augen sahen auf Marie hinab. Die fremden Männer entfernten sich hastig, doch als Jean die Waffe sinken ließ und sich über Marie beugte, waren sie plötzlich wieder da, um ihn von hinten anzuspringen. Das Schwert entglitt seiner Hand. Ein wildes Ringen folgte. Marie ließ die Messerklinge in den Schenkel eines der Angreifer fahren. Sein Schmerzensschrei tat ihr wohl. Wieder stach sie zu und biss wie eine wütende Katze. Ein Tritt in ihren Bauch raubte ihr kurz die Luft zum Atmen. Sie rollte zur Seite. Jean wälzte sich mit drei anderen Körpern weiter auf dem Boden herum. Er war allein, doch weitaus kräftiger und im Kämpfen ausgebildet. Seine Fäuste trafen gezielt empfindliche Stellen. Allmählich erlahmte die Angriffslust der Landstreicher. Marie sah die Klinge des Schwerts im Gras aufblitzen und überlegte fieberhaft, wie sie es Jean unauffällig zuschieben konnte, da jagten die Landstreicher bereits den Pfad entlang, bis der Horizont sie verschluckte. Endlich wurde es wieder still.
    »Seid Ihr verletzt, Ma Dame?«

    »Mir geht es gut«, sagte Marie, obwohl jede Bewegung schmerzte. Mühsam stand sie auf. Jean erhob sich ebenfalls. Er fegte Zweige und Grashalme von seinem Surcot, hob das Schwert wieder auf und steckte es in die Scheide an seinem Gürtel. Marie musterte ihn schweigend. Der Schreck saß ihr so tief in den Knochen, dass Jeans Gegenwart sie erstmals nicht aufwühlte. Stattdessen überlegte sie, wie der Retter so plötzlich hatte auftauchen können.
    »Seid Ihr mir gefolgt?«, fragte sie und erschrak über die Schärfe in ihrer Stimme.
    Er grinste verlegen.
    »Ich sah Euch über den Hof gehen und wollte mit Euch reden. Aber Ihr wart derart in Gedanken versunken, dass ich glaubte zu stören. Ich wollte einen günstigen Moment abwarten, um Euch anzusprechen. Zuerst habe ich gezögert, Euch aus der Stadt hinaus zu folgen, aber dann tat ich es doch, und schließlich hörte ich Euch schreien.«
    Marie nickte. Sie wusste, dass sie ihm dankbar sein sollte. Aber sie empfand nur Wut, auf nichts und doch auf alles, auf die ganze Ordnung der Welt. Konnte sie keinen Moment des Friedens in ihrem Leben genießen? Überall lauerten Männer mit Schwertern oder geballten Fäusten. Sie spürte wieder Cadells Schläge auf ihrem Körper, den eisernen Griff des Ritters der Lusignans, die gierigen Hände von Landstreichern, die ihren herrlichen Ausflug in einen Albtraum verwandelt hatten. Ihr Zorn brodelte wie kochendes Wasser.
    »Also seid Ihr mir heimlich hinterhergeschlichen!«, zischte sie Jean an.
    Er hob nun überrascht die Handflächen. »Es ergab sich eben so«, sagte er. »Doch so wenig es mir zusteht, Euch zu rügen, erscheint es mir doch sehr gewagt für eine königliche Dame, ohne Begleitschutz durch die Gegend zu laufen.«
    Marie schnaubte.

    »Natürlich, wie konnte ich das vergessen! Ein so schwaches Wesen wie ich braucht immer einen bissigen, knurrenden Hund an seiner Seite, der die wilden Wölfe abwehrt!«
    Sie hatte geschrien. Und als es ihr bewusst wurde, senkte sie den Blick. Jean trat einen Schritt auf sie zu. Zaghaft hob er eine Hand, als wolle er Marie berühren, doch dann besann er sich eines Besseren.
    »Ich verstehe, dass Ihr aufgebracht seid. Wohin wolltet Ihr denn gehen?«
    »Ich wollte mir nur die Gegend hier ansehen«, sagte Marie nun. »Der Süden ist unglaublich schön im Frühling. Der Duft und all diese Blumen, das ist zauberhaft«.
    »Ich verstehe Euch. Als ich am französischen und englischen Hof lebte, habe ich meine Heimat im Frühling ganz besonders vermisst. Wenn Ihr wollt, führe ich Euch ein wenig herum. Ein Stück von hier ist ein Hügel mit einer kleinen Kapelle. Von dort aus hat man einen herrlichen Ausblick auf die Landschaft. Ich gehe manchmal allein dorthin, um auf der Harfe zu spielen.«
    Natürlich. Ein Mann mit einem Schwert konnte herumlaufen, wo er wollte. Marie verjagte diesen bitteren Gedanken, denn sie wollte den Hügel tatsächlich sehen. Immerhin hatte Jean sich als wirksamerer Schutz erwiesen denn ihr Messer. Zur Sicherheit blickte sie an sich hinab und wischte ein paar Grashalme fort, die an ihrem Bliaut klebten. Hinten hatte er womöglich einen Riss

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