Die Diener Der Eosi
das?« fragte Sally, als Kris die Gangway herunterkam und den Schauerleuten auswich, die leichtere Lasten auf den Schultern trugen.
»Zainals Söhne«, antwortete Kris, »und wir müssen sie genauso behandeln, wie cattenische Jungen behandelt werden.« Sie schüttelte dabei unwillkürlich den Kopf.
»Wie bitte? Auf Botany? Wir sollen eine Generation wie die heranziehen, der wir gerade neue Denkweisen beibringen?« fragte Sally ungehalten.
»Wenigstens fürs erste«, meinte Kris seufzend. »Sie hätten mal sehen sollen, in welchem Zustand sie sich befanden, als Kasturi sie an Bord brachte.«
»Sie mußten wohl für die Sünden ihres Vaters büßen, nicht wahr?« fragte Sally, die scharfsichtig wie eh und je die Situation durchschaute.
»So könnte man es nennen«, erwiderte Kris und verstummte, als sie Zainals vertrauten Schritt auf der Laderampe hörte.
Zainal schaute sich suchend um und entdeckte Kamiton, der unterwegs zum Krankenrevier war. Die Jungen folgten ihm mit zwei Schritten Abstand, was Zainal mit einem zufriedenen Kopfnicken quittierte.
Danach begab er sich zu Ray Scott und den neuen cattenischen Rekruten.
Kris schaute ihm mit gemischten Gefühlen nach und wandte sich wieder zu Sally um.
»Haben Sie irgendwelche Fragen? Chuck und Mark haben bereits während des Rückflugs für zahlreiche Frachtgüter die englischen Bezeichnungen eingesetzt. Ich kann Ihnen helfen, falls Sie mich brauchen«, bot sie sich an.
»Unsinn, Mädchen. Gehen Sie lieber duschen, und sehen Sie zu, daß Sie wieder halbwegs menschlich aussehen.« Sie reichte ihr ein Handy. »Nehmen Sie das. Wenn ich Sie brauche, melde ich mich.«
Sobald sie den cattenischen Raumsektor verlassen hatten, hatten alle menschlichen Besatzungsmitglieder der KDL ihre gelben Kontaktlinsen entfernt, was für die Neulinge eine große Überraschung gewesen war. Da jedoch der Wasservorrat begrenzt gewesen war, hatte, außer von den Händen, niemand das Cattenigrau vollkommen abwaschen können.
Kris hätte viel lieber Kamiton und die beiden Jungen begleitet, um zu erfahren, wie ihr allgemeiner Gesundheitszustand aussah, aber Zainal hatte dies abgelehnt. Es gab auf Botany keine Kinder in Bazils und Perans Alter, daher fragte sie sich, in was für eine Gruppe sie sich integrieren ließen.
Zainal löste dieses Problem, indem er sie ins Massai-Lager mitnahm. »Sie sind Krieger. Sie haben Jungen im richtigen Alter. Dort werden sie auch terranische Sitten und Gebräuche erlernen.«
»Aber doch nicht in einem Lager der Massai!« widersprach Kris vehement.
»Warum nicht?« fragte Zainal verblüfft. Er glaubte, eine gute Entscheidung getroffen zu haben.
»Weil sie ihre Frauen genauso behandeln, wie die Catteni es tun. Ich meine, sie lassen schwangere Frauen regelrecht hungern, damit die Babys klein bleiben und die Geburt einfacher wird.«
Dieser Teil der Massai-Kultur war für die meisten Angehörigen des medizinischen Personals ein großer Schock gewesen, denn zahlreiche Massai-Frauen befanden sich im letzten Drittel der Schwangerschaft. Wie die Embryos die lange Raumreise hatten überleben können, war für alle ein großes Rätsel. Alle untersuchten Frauen hatten unter Blutarmut gelitten und waren deutlich unterernährt. Hassan hatte sein ganzes diplomatisches Geschick aufbieten müssen, um die Anführer der Massai dazu zu bewegen, den Frauen die Einnahme von Vitaminpräparaten zu gestatten. Als Begründung führte er an, daß ihnen ihre traditionellen Kräuterextrakte auf Botany nicht zur Verfügung stünden. Hassan achtete außerdem darauf, daß die Tabletten keinerlei Milch enthielten, die für schwangere Massai-Frauen absolut tabu war. Daß die Präparate jedoch Calcium sowie andere Spurenelemente enthielten, wurde tunlichst verschwiegen.
Auf andere rassenbezogene Unterschiede ging Kris nicht mehr ein. Es gab dort tatsächlich Jungen im richtigen Alter. Die Massai waren Krieger, auch wenn sie lediglich über Wurfspeere verfügten, und ihre Körpergröße trug dazu bei, daß die Jungen vor ihnen Respekt hatten. »Aber sie lernen dort kein Englisch«, war der einzige Einwand, den sie vorbringen konnte.
»Jetzt nicht. Das kommt später. Sobald Jungen ihres Alters auf Botany eintreffen.«
Sie waren seine Kinder. Sie hatte kein Recht, ihm vorzuschreiben, wohin er sie schicken und wie er sie aufziehen sollte. Die Massai behandelten wenigstens ihre Frauen halbwegs zuvorkommend, und das war immerhin schon ein großer Fortschritt.
Bazil und Peran
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