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Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben

Titel: Die Dienstagsfrauen zwischen Kraut und Rüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Peetz
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das gehen?«
    Ihre Augen waren starr
auf das Hindernis vor ihnen gerichtet. Ein Baum hatte sich über die ganze
Flussbreite gelegt. Wie Tentakel hingen die toten Äste der Birke auf dem
Wasser.
    »Wir müssen das Kanu um
das Hindernis herumtragen«, meinte Steiner und sah besorgt auf Evas Fuß, der
noch nicht einmal in einen Schuh gepasst hatte. »Rein theoretisch jedenfalls«,
fügte er hinzu.
    Sie wussten beide, dass
das keine Option war. Dunkle Regenwolken zogen auf und machten deutlich, dass
sie sich besser beeilten. Hatte es sich das Schicksal zur Aufgabe gemacht, ihr
jede Freude zu vermiesen? Sie hingen im Wald fest, der hier so dicht war, dass
Hilfstruppen sie kaum erreichen könnten. Langsam manövrierten sie das Kanu an
das Hindernis heran. Der Baum war knorrig, ohne Saft, ohne Blätter.
    »Das ist kein Opfer von
Sturmtief Lukas«, sagte Steiner nachdenklich. »Der liegt schon länger hier.«
    »Dann muss man auch
durchkommen«, meinte Eva und dankte ihren Schutzgeistern, dass sie sich nicht
im Amazonasgebiet befand, wo man sich mit der Machete einen Weg frei schlagen
musste.
    »Flach machen«, schlug
Steiner vor. »Wie eine Flunder.«
    »Nicht wirklich
behindertengerecht«, stöhnte Eva.
    Beim Einholen der
Paddel schwappte ein zweiter Schwung eiskalten Wassers ins Boot. Wie zwei nasse
Sardinen in der Büchse quetschten sie sich nebeneinander auf den Boden des
Kanus. Der Ausdruck »einen Mann flachlegen« gelangte hier zu neuer Bedeutung.
    »Das ist wie Limbo
tanzen«, kicherte Eva. »Nur mit Boot.«
    Steiner hangelte sich
an den Ästen entlang, um dem Kanu Schwung zu verleihen. Eva war es egal, wie
lange sie so würden ausharren müssen. Vielleicht ging es dem Schicksal gar
nicht darum, sie ins Jenseits zu befördern. Vielleicht wollte es sie mit
sanfter Gewalt darauf aufmerksam machen, dass sie noch lange nicht alles
erfahren hatte, was in der Wundertüte Leben steckte.
    »Ist schon merkwürdig«,
sagte sie. »Wir liegen hier nebeneinander, und ich weiß gar nichts über Sie.«
    »Fragen Sie«,
antwortete Steiner locker.
    »Machen Sie immer
allein Urlaub? Ist Ihnen das nicht langweilig?«, platzte Eva heraus.
    »Sie wollen wissen, ob
ich verheiratet bin?«, fragte Steiner zurück. Leider war er viel zu direkt.
Wenigstens konnte Eva sich vormachen, dass ihre Neugier alleine in dem Wunsch
begründet lag, Caroline behilflich zu sein.
    »Also? Sind Sie?«,
insistierte Eva und ärgerte sich sofort. Wieso gab sie sich so viel Blöße?
Warum war sie nicht beim Smalltalk geblieben: »Hätten Sie gedacht, dass
Mecklenburg so grün ist?«, »Glauben Sie, es wird regnen?«, »Waren Sie früher
schon mal in Ostdeutschland?«
    Steiner reagierte mit
einer Gegenfrage: »Würde das Ihr Urteil über mich beeinträchtigen?«
    Steiner bugsierte sie
in eine moralische Sackgasse. Blöde Frage. Natürlich beeinflusste sein
Familienstand ihr Urteil. Vielleicht wäre es sogar angenehm, wenn er
verheiratet wäre. Dann wäre immerhin Gleichstand. Schließlich musste es einen
Grund geben, warum er sie zu diesem Ausflug eingeladen hatte.
    »Natürlich nicht«, log
Eva.
    Die Sonne verkroch sich
endgültig hinter einer dicken schwarzen Regenwolke, als könne sie das Elend nicht
mehr mit ansehen.
    »Wir sollten besser
lospaddeln, bevor wir klatschnass werden«, mahnte Steiner und erhob sich aus
der gemütlichen Position am Boden des Kanus. Tatsächlich zog der Himmel sich in
beängstigender Geschwindigkeit zu. Als sie von der Schwanenhavel in den
Plättlinsee einbogen, jagte ihnen ein eisiger Gegenwind erste Regentropfen ins
Gesicht. Nach ein paar Schlägen gaben sie auf. Steiner zerrte aus dem Rucksack
einen Regenschirm hervor. Paddeln konnten sie so nicht mehr. Nur sich dicht
unterm Schirm aneinanderschmiegen und darauf hoffen, dass das Stück blauer
Himmel am Horizont rasch näher kam.
    »Ich war verheiratet«,
nahm Steiner die Unterhaltung wieder auf. »Sogar zweimal. Ich war nicht
besonders gut darin. Mein Job hat alles verschluckt«, gab er zu. »Seitdem lebe
ich aus dem Koffer.«
    »Und beruflich?«
    »Ich arbeite sozusagen
auf Montage. Ein paar Monate hier, ein paar Monate da. Nichts Festes.«
    Eva stellte keine
weiteren Fragen. Alltag hatte sie genug. Mit Frido. Vielleicht war es das
Beste, alles in der Schwebe zu lassen. Steiner umwehte dieser herbe Hauch von
Cowboy und Abenteuer. Wollte sie wirklich wissen, wie er lebte? Wollte sie
wissen, mit welchen fragwürdigen Jobs er sich über Wasser hielt, wo er seine
Wäsche wusch

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