Die Differenzmaschine: Roman (German Edition)
jetzt Gewehrschüsse. Kugeln flogen mit musikalischem Geklirre von Glas, ominösem Knirschen und hellem Patschen in die Beutestücke ringsum. »Mallory! Hier entlang!«, rief Fraser.
Er hatte einen Spalt entlang der Lagerhauswand entdeckt. Mallory hängte sich den Karabiner um und hielt Ausschau nach Brian, sah ihn aus seiner Deckung springen und einen anderen Platz suchen. Er folgte Fraser in den Spalt und arbeitete sich grunzend mehrere Schritte die Wand entlang. Kugeln klatschten in die Ziegel vor und hinter ihnen, aber ein gutes Stück über ihren Köpfen. Mallory erreichte den nächsten Seitengang, der ebenfalls eine Sackgasse war. Hier arbeitete Tom wie ein Wilder an der Errichtung einer Barrikade aus dünnbeinigen Frisierkommoden. Sie lagen in einem weiß lackierten Haufen wie tote tropische Spinnen.
Das zunehmende Gewehrfeuer machte einen Höllenlärm in der hallenden Weite des Lagerhauses. Aus der Richtung, von wo sie gekommen waren, drangen Wut- und Angstschreie.
Tom trieb eine eiserne Bettstatt in einen Stapel von Lattenverschlägen, stemmte den Rücken dagegen und brachte den Stapel krachend zum Einsturz. »Wie viele?«, keuchte er.
»Sechs.« Tom grinste wie ein Irrer. »Das ist mehr, als sie jemals von uns töten werden. Wo ist Brian?«
»Ich weiß nicht.« Mallory gab Tom den Karabiner. Tom nahm ihn beim Lauf und hielt ihn auf Armeslänge von sich, überrascht von dem am Kolben klebenden Blut.
Fraser, der den Spalt hinter ihnen bewachte, feuerte seinen Pfefferstreuer ab. Es folgte ein durchdringender, hoher Schrei und ein zappelndes Umsichschlagen.
Rings um sie her fuhren die Kugeln jetzt mit etwas größerer Genauigkeit in das Gerümpel. Ein fingerdickes konisches Geschoss fiel von irgendwo vor Mallorys Füße und drehte sich wie ein Kreisel auf den Planken des Bodens.
Fraser klopfte an seine Schulter, und Mallory wandte sich um. Fraser hatte den Atemschutz vom Gesicht gezogen; seine Augen glitzerten, schwarze Bartstoppeln zierten sein blasses Kinn. »Was nun, Dr. Mallory? Was für ein neues, begeisterndes Manöver?«
»Das hätte durchaus klappen können, wissen Sie«, verteidigte sich Mallory. »Wenn sie mir geglaubt hätte, wäre sie vielleicht mit uns zu Swing gegangen. Frauen sind eben unberechenbar.«
»Oh, sie glaubte Ihnen schon«, sagte Fraser und lachte plötzlich, ein seltsames trockenes Glucksen. »Nun, was haben Sie da?«
»Einen Revolver.« Mallory hielt ihm das Beutestück hin. »Geben Sie acht auf das Stück Schrapnell im Griff.«
Fraser kratzte es am Stiefelabsatz aus dem Holz. »Ein Ding wie diese Donnerbüchse ist mir noch nie untergekommen! Ich zweifle sehr, dass es legal ist, selbst für einen unserer tapferen Krimhelden.«
Ein wohlgezielter Gewehrschuss fetzte Holzsplitter aus einer der Frisierkommoden und verfehlte Fraser nur knapp. Mallory blickte erschrocken auf. »Verdammt!« Ein Schütze hatte auf einem der Stahlträger Stellung bezogen und lud sein Gewehr gerade nach.
Gleich darauf riss Mallory Tom den Karabiner aus den Händen, schlang den blutigen Gurt um seinen Unterarm und zielte sorgfältig. Er suchte mit dem Abzug den Druckpunkt, doch ohne Wirkung, denn die einzige Kugel im Lauf war bereits abgefeuert. Aber der Schütze auf dem Stahlträger hatte ihn gesehen, sperrte entsetzt den Mund auf und sprang von seinem Platz auf einen Berg Stoffballen.
Mallory riss die Kammer auf und warf die Patronenhülse raus. »Hätte ich nur diese verdammte Patronentasche …«
»Ned!« Plötzlich erschien Brian links von ihnen, geduckt hinter der dürftigen Deckung einer Tischplatte. »Hierher – Baumwollballen!«
»Richtig!« Sie folgten Brians Führung, kletterten und zogen sich in einer Kaskade von Fischbein und Kerzen auf einen Haufen Beutegut. Kugeln pfiffen und klatschten ringsum – mehr Männer auf den Trägern, dachte Mallory, zu beschäftigt, um hinzusehen. Fraser richtete sich einmal auf und feuerte einen Schuss ab, ohne erkennbare Wirkung.
Dutzende von zentnerschweren Ballen entkörnter Baumwolle aus den Konföderierten Staaten, verpackt in Sackleinwand und mit Stricken verschnürt, waren beinahe bis zu den Trägern gestapelt. Brian gestikulierte wild, dann verschwand er zwischen den Ballenstapeln. Mallory verstand ihn: Mit wenig Arbeit konnten sie eine natürliche Festung daraus machen.
Er und Tom stemmten sich gegen einen der Ballen und lösten ihn aus der obersten Lage des Stapels, sprangen in die Öffnung. Kugeln schlugen mit dumpf verpuffenden
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