Die Doppelgaengerin
Blair und ich zusammen sind und wo ich wohne, kann uns nichts passieren. Hat einer von Ihnen einem Dritten von uns erzählt?«
»Ich habe es nicht mal Sally erzählt«, antwortete Mom. »Aber sie ist zurzeit sowieso nicht in der Verfassung, mir zuzuhören.«
»Ich habe mit niemandem darüber gesprochen«, sagte Siana. »Natürlich haben wir darüber geredet, dass auf Blair geschossen wurde, aber wir haben nichts Persönliches diskutiert.«
Jenni schüttelte den Kopf. »Bei mir ist es genauso.«
»Dann ist das geklärt«, sagte Dad. »Es würde mir nicht im Traum einfallen, über Blairs Privatleben zu plaudern.«
»Gut. Sorgen Sie dafür, dass es so bleibt. Meine Mutter hat ebenfalls mit niemandem gesprochen, das weiß ich. Und wie steht es mit dir, Blair?«
»Ich habe es nicht mal Lynn erzählt. Wir hatten andere Dinge zu besprechen.«
»Dann kehren wir zu unserem ursprünglichen Arrangement zurück. Sie bleibt bei mir, sie geht vorerst nicht ins Studio, und Sie werden sie einstweilen nicht mehr sehen, bis wir diesen Kerl geschnappt haben. Telefonieren können Sie, so oft Sie wollen, aber keine persönlichen Begegnungen. Okay?«
Alle nickten. Er wirkte zufrieden. »Die Detectives durchkämmen zurzeit Blairs Wohnviertel, sie reden mit jedem, sogar mit kleinen Kindern. Vielleicht hat jemand den Täter beobachtet, während er sich an deinem Auto zu schaffen machte, und sich nichts weiter dabei gedacht.«
In dieser Hinsicht machte ich mir keine allzu großen Hoffnungen. Ich parkte nicht am Bordstein, und mein Auto war von der Straße aus nicht zu sehen. Falls nicht zufällig irgendein Nachbar zur betreffenden Zeit aus einem Fenster auf der Rückseite unseres Hauses geschaut hatte, hatte sich der Mann leicht anschleichen und unter mein Auto legen können, ohne dass man ihn von der Straße aus bemerkte.
Es war vielleicht nicht besonders edel von mir, aber ich hatte darauf gebaut, dass Dwayne Bailey hinter den Anschlägen auf mich steckte. Er war der Einzige, der meines Wissens überhaupt ein Motiv hatte, und selbst er hatte im Grunde keines gehabt; er hatte nur nicht gewusst, dass ich ihn nicht identifizieren konnte. Seit ich erfahren hatte, dass er ein wasserfestes Alibi hatte, war ich völlig ins Schwimmen gekommen, weil mir beim besten Willen kein weiterer Grund einfiel, warum mich jemand umbringen wollte. Ich spannte anderen Frauen nicht den Mann aus, ich betrog niemanden und bemühte mich, zu jedem nett zu sein, solange man mich nicht provozierte. Ich ging sogar so weit, dass ich während des Winterhalbjahres keine weißen Schuhe trug. Im Ernst, ich habe Kathleen Turner als Serial Mom gesehen, und ich habe mir den Film zu Herzen genommen. Ich möchte nicht, dass mich die Mode-Nazis auf ihre Liste setzen.
»Wenn es nichts Persönliches ist«, dachte ich laut nach, »dann müsste es doch was Geschäftliches sein, oder? Geld. Worum könnte es sonst gehen? Aber ich habe niemanden übers Ohr gehauen und auch kein anderes Studio in den Ruin getrieben, als ich das Great Bods eröffnete. Das Halloran’s hatte schon zugemacht, bevor ich das Gebäude kaufte und renovierte. Fällt jemandem sonst noch was ein?«
Rund um den Gartentisch wurden die Köpfe geschüttelt. »Es ist unbegreiflich«, stellte Siana fest.
»Was sind denn die gängigsten Motive?«, fragte Dad. »Eifersucht, Rache, Gier. Was noch? Politik und Religion können wir außen vor lassen, denn soweit ich weiß, ist Blair weder politisch engagiert noch eine religiöse Eiferin. Und dass ein Unbekannter ausgerastet ist und nun ohne nachzudenken zuschlägt, können wir ebenfalls ausschließen, oder, Wyatt?«
Wyatt schüttelte den Kopf. »Beide Anschläge waren geplant. Wenn wir nach der Wahrscheinlichkeit gehen, haben wir es mit einem Mann zu tun …«
»Wie kommen Sie darauf?«, fragte Siana, die jede intellektuelle Diskussion reizt, selbst wenn es darum geht, wer mich wohl umzubringen versucht.
»Die Entfernung war zu groß, als dass die eingesetzte Waffe eine Pistole gewesen sein könnte. Wir wissen, von wo der Schütze geschossen hat, weil wir die Patronenhülse gefunden haben. Es war ein Gewehr mit.22er Kaliber, von denen es in unserer Gegend Tausende gibt und das keine große Durchschlagskraft hat, aber mit einem gut gezielten Schuss durchaus töten kann. Außerdem hat der Schütze geräuscharme Munition eingesetzt. Nur weil Blair sich zufällig bückte, als der Schuss abgegeben wurde, hat er sie am Arm und nicht an einer gefährlicheren Stelle
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