Die Doppelgaengerin
aufmerksam, scharf und von jener stählernen Härte, die sich jeder Bulle aneignen muss, oder er kann sich einen neuen Job suchen. Dieser stählerne Bullenblick tastete mich von oben bis unten ab und kam mir sofort noch schärfer vor.
Ich freute mich nicht wirklich, ihn zu sehen. Am liebsten hätte ich ihn gegen das Schienbein getreten und hätte es vielleicht auch getan, wenn ich nicht ziemlich sicher gewesen wäre, dass er mich dann wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt verhaftet hätte, weshalb ich lieber das tat, was jede Frau mit einem Funken Selbstachtung in so einem Fall tun würde: Ich tat so, als würde ich ihn nicht kennen.
»Blair.« Natürlich baute er sich viel zu dicht vor mir auf. »Bist du okay?«
Was ging ihn das an? Ich schaute ihn verblüfft und leicht erschrocken an, so wie eine Frau einen Fremden ansieht, der unerwartet aufdringlich wird, und rutschte dann meinen Stuhl unauffällig ein paar Zentimeter zurück. »Äh … ja, ich glaube schon«, antwortete ich vorsichtig und ließ dann leise Verwirrung auf meinem Gesicht aufleuchten, so als würde ich ihn halb wiedererkennen, aber keinen passenden Namen aus meinem Gedächtnis zaubern können.
Zu meiner Überraschung sah ich glühenden Zorn in seinen grünen Augen aufblitzen. »Wyatt«, sagte er so knapp wie möglich.
Ich rutschte noch weiter zurück. »Was ist weit?« Ich beugte mich zur Seite und schaute an ihm vorbei, als wollte ich mich überzeugen, dass noch andere Bullen in Rufweite waren, die mich vor ihm beschützen konnten, falls er mich schlagen würde – was ihm, ganz ehrlich, durchaus zuzutrauen war, so wie er mich ansah.
»Wyatt Bloodsworth.« Die Worte plumpsten wie Bleikugeln aus seinem Mund. Er fand meine kleine Scharade ganz und gar nicht witzig, dafür amüsierte ich mich königlich.
Ich wiederholte den Namen leise für mich und bewegte die Lippen dabei gerade so weit, dass er es sehen konnte, bevor ich mein Gesicht aufleuchten ließ. »Ach so! Natürlich! Jetzt fällt es mir wieder ein. Entschuldige bitte, ich habe ein schreckliches Namensgedächtnis. Wie geht es deiner Mutter?«
Mrs. Bloodsworth war vor ihrem Haus vom Fahrrad gefallen und hatte sich das Schlüsselbein sowie mehrere Rippen gebrochen. Ihre Mitgliedschaft war ausgelaufen, während sie im Krankenhaus war, und sie hatte sie seither nicht erneuert.
Es machte ihn offensichtlich gar nicht glücklich, dass mir seine Mutter wichtiger war als er. Was hatte er erwartet? Dass ich mich hysterisch heulend in seine Arme stürzen und ihn anbetteln würde, es noch mal mit mir zu probieren? Nicht in hunderttausend Leben. Die Mallory-Frauen sind aus härterem Holz geschnitzt.
»Sie ist fast wieder die Alte. Ich glaube, die Erkenntnis, dass sie sich nicht mehr so schnell erholt wie früher, war für sie noch schmerzhafter als die vielen Brüche.«
»Richte ihr meine besten Grüße aus und sag ihr, ich würde sie gern wiedersehen.« Dann klatschte ich mir, weil er die Marke an seinem Gürtel trug, leicht gegen die Stirn. »O je! Wenn ich deine Marke gesehen hätte, hätte ich die Verbindung schneller gezogen, aber ich bin im Moment ein bisschen durcheinander. Detective MacInnes wollte mich nicht mit meiner Mutter telefonieren lassen, aber glaubst du, dass es ihn immer noch stören würde, wenn ich sie anrufe, nachdem sich inzwischen offenbar die ganze Stadt auf meinem Parkplatz versammelt hat?«
Er schien immer noch nicht zufrieden mit mir. O Gott, hatte ich ihn etwa an seinem kleinen Ego getroffen? War das nicht schrecklich? »Bis jetzt dürfen nur Polizisten den Tatort betreten«, erwiderte er. »Wir halten auch die Presse zurück, bis die ersten Untersuchungen abgeschlossen sind. Auch würden wir es gutheißen, wenn du mit niemandem sprichst, bis die Vernehmungen abgeschlossen sind.«
»Verstehe.« Das war nicht gelogen. Ein Mord war eine ernste Sache. Ich wünschte nur, er wäre nicht so ernst gewesen, dass sich Lieutenant Bloodsworth damit befassen musste. Ich stand auf, ging an ihm vorbei – in genau dem Abstand, in dem ich auch an einem Fremden vorbeigegangen wäre – und schenkte mir noch eine Tasse Kaffee ein. »Wie lange wird das noch dauern?«
»Schwer zu sagen.«
Eine gute Nichtantwort. Ich merkte, dass er auf die Kanne sah, und sagte: »Bitte, bedien dich.« Ich griff nach dem Plastikkrug, mit dem ich das Wasser nachgefüllt hatte, seit beide Kannen in Betrieb waren. »Ich hole nur schnell Wasser, um neuen Kaffee aufzusetzen.« Dann huschte ich aus
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