Die Doppelgaengerin
hatte. Bei solchen Sachen muss man zwischen den Zeilen lesen können.
Seine grünen Augen wurden schmal. Er hatte die Botschaft verstanden. »Ich habe ihnen gesagt, dass ich dir ins Krankenhaus hinterherfahre.«
»Danke, aber das wird nicht nötig sein. Ich rufe lieber meine Eltern an.«
Die Augen wurden noch schmaler. »Ich sagte, ich fahre dir hinterher. Deine Eltern rufe ich von unterwegs an.«
»Schön. Tu, was du nicht lassen kannst.« Was so viel bedeutete wie: Ich bin trotzdem wütend.
Auch diese Botschaft verstand er. Er stemmte die Hände in die Hüften, echt macho und männlich und vor allem angefressen. »Wieso bist du so sauer?«
»Du meinst, abgesehen davon, dass ich angeschossen wurde?«, fragte ich zuckersüß.
»Ich wurde auch schon angeschossen. Aber deshalb habe ich mich nicht aufgeführt wie …« Er verstummte und schluckte hinunter, was er eigentlich sagen wollte.
»Eine Zicke? Ein verwöhntes Gör? Eine Diva?«, bot ich ihm zur Auswahl an. Vorne saß Red und lauschte reglos unserem Wortwechsel. Keisha stand abseits, wartete darauf, dass sie die Tür zumachen konnte und tat so, als würde sie sich brennend für einen Vogel am Himmel interessieren.
Er lächelte grimmig. »Das kannst du dir selbst aussuchen.«
»Kein Problem. Das kann ich allerdings.« Ich schrieb den nächsten Punkt auf meine Liste.
Sein Blick klebte auf dem Terminkalender. »Was machst du da?«
»Eine Liste.«
»Heiliger Himmel, schon wieder?«
»Dieselbe noch mal. Ich ergänze sie nur.«
»Gib sie mir.« Er beugte sich in den Krankenwagen, als wollte er mir den Kalender aus der Hand reißen.
Ich zog den gesunden Arm mit dem Kalender nach hinten. »Das ist mein Kalender. Den rührst du nicht an.« Dann sagte ich über die Schulter hinweg zu Red: »Na los, fahren wir.«
»Blair, du schmollst …«
Und wenn schon. Vielleicht wäre ich milder gestimmt, wenn ich mich erst wieder besser fühlte, aber bis dahin hatte er es verdient, dass ich schmollte. Mal im Ernst, wenn ich nicht mehr schmollen darf, nachdem auf mich geschossen wurde, wann denn dann?
Und darum schrie ich, als Keisha die Türen schloss, nach draußen: »Du wirst schon sehen, ob ich jemals wieder mit dir schlafe!«
11
»Sie schlafen also mit Lieutenant Bloodsworth, hm?«, fragte Keisha grinsend.
»Ich habe früher mit ihm geschlafen.« Ich schniefte hoheitsvoll. Was tat es schon zur Sache, dass ich mit früher »früher an diesem Tag« meinte? »Er braucht sich nicht einzubilden, dass ich es noch mal tue.« Es war mir ein bisschen unangenehm, dass ich etwas so Persönliches wie die Einzelheiten meines Liebeslebens in die Welt hinausposaunt hatte, aber er hatte mich provoziert.
Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass Red ungebührlich langsam fuhr. Ich weiß nicht, ob er immer so defensiv fährt – was möglicherweise nicht besonders sinnig ist, wenn man einen Schwerverletzten im Krankenwagen liegen hat – oder ob er nur so viel wie möglich von unserer Unterhaltung mitkriegen wollte, bevor wir das Krankenhaus erreicht hatten. Außer Keisha schien niemand, absolut niemand zu glauben, dass mein Zustand Besorgnis erregend war oder auch nur die geringste Aufmerksamkeit erforderte.
Dafür war Keisha eine Frau ganz nach meinem Herzen. Sie hatte mir Feigenriegel beschafft und meine Tasche geholt. Keisha verstand mich.
»Es ist bestimmt nicht leicht, diesen Typen von der Bettkante zu stoßen«, kommentierte sie nachdenklich. »Und zwar in jeder Hinsicht.«
»Eine Frau muss tun, was eine Frau tun muss.«
»Wohl wahr, Schwester.« Wir tauschten einen Blick voll innigem Verständnis aus. Männer sind bockige Wesen; sie dürfen keinesfalls die Oberhand behalten. Und Gott sei Dank war Wyatt verflucht bockig, weil mich das davon ablenkte, dass mich jemand erschießen wollte. Ich war noch nicht bereit, mich dieser Erkenntnis zu stellen. Einstweilen war ich in Sicherheit und hatte eine Atempause bekommen. Bis ich mich der Situation halbwegs gewachsen fühlte, würde ich mich ganz auf Wyatt und meine Liste konzentrieren.
Im Krankenhaus wurde ich sofort in eine kleine Kabine gerollt – soweit man ein Bett mit einem Vorhang drumherum »Kabine« nennen kann –, wo ein paar freundliche, fröhlich-fleißige Schwestern mein blutdurchtränktes Top und den BH wegschnitten. Dass ich den BH opfern musste, traf mich schwer, weil es mein einziger meerschaumgrüner Spitzen-BH war, der genau zu meinem Höschen passte, das ich nun nicht mehr anziehen konnte, bis ich mir
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