Die Doppelgaengerin
aber froh«, sagte Mrs. Bloodsworth, als ich ihr von Dwayne Bailey erzählte. »Trotzdem wird mir Ihre Gesellschaft fehlen. Ich glaube, ich werde wieder Mitglied bei Great Bods werden; erst jetzt ist mir klar geworden, wie sehr ich mich seit meinem Unfall gelangweilt habe.«
Ich rief erst Mom an und überbrachte ihr die gute Nachricht und danach Siana und Lynn. Lynn erzählte ich, dass ich morgen wieder in die Arbeit kommen würde, bat sie aber, morgens für mich zu öffnen. Bis mein Arm wieder voll einsatzfähig war, würde ich nichts in Eile erledigen können.
Eigentlich hatte ich erwartet, dass Wyatt mich zu Mom fahren würde, was logisch gewesen wäre. Sie konnte mich ein paar Tage verwöhnen, bis ich mich wieder selbst anziehen konnte und alles wieder seinen gewöhnlichen Gang nehmen würde.
Ich konnte es kaum erwarten, dass etwas Normalität in mein Leben einkehrte. Fast eine Woche lang hatte mein Leben Purzelbäume geschlagen, und ich sehnte mich danach, dass sich die Dinge beruhigten. Ich hatte offensichtlich einen Geliebten, sosehr ich mich auch bemühte, ihn unter Kontrolle zu halten, der mein Leben definitiv verkomplizieren würde. Aber nachdem diese Bedrohung ausgeräumt war, konnten wir versuchen, ein ganz normales Leben zu führen, um herauszufinden, ob das zwischen uns von Dauer war oder ob die magische Wirkung der Chemie im Lauf der Zeit verpuffen würde.
Die Welt hellte sich auf. Ich konnte es kaum erwarten, ein neues Kapitel in unserer Beziehung zu beginnen: den Alltag.
18
Ich fühlte mich wie ein Vogel, den man aus dem Käfig gelassen hat. Obwohl ich nicht einmal achtundvierzig Stunden unter Hausarrest gestanden hatte, kam mir die Zeit viel länger vor. Ich konnte immer noch nicht alles selbst erledigen, aber immerhin war meine Bewegungsfreiheit nicht mehr eingeschränkt. Ich konnte ausgehen, wenn ich wollte; ich brauchte nicht ständig in der Wohnung zu bleiben; ich musste nicht mehr durch die Hintertür ins Haus schleichen.
»I’m free, I’m free, I’m free« , sang ich, als Wyatt mich abholen kam und ich ihm über die Auffahrt entgegentänzelte. Es war später als am Vortag; die Sonne war schon beinahe untergegangen, es musste also nach acht sein.
»Nicht ganz«, sagte Wyatt, als er mir den Gurt anlegte.
»Was soll das heißen, ›nicht ganz‹?«, brüllte ich ihn an. Ich brüllte, weil er außen ums Auto herumging und mich sonst nicht gehört hätte.
»Du scheinst noch nicht im Vollbesitz deiner Kräfte zu sein«, antwortete er und setzte sich hinter das Lenkrad. »Du kannst dich nicht anziehen, du kannst deine Haare nicht waschen, und du kannst nicht mit zwei Händen am Steuer fahren.«
»Du fährst auch nicht mit beiden Händen am Steuer«, erwiderte ich.
»Das muss ich auch nicht, weil ich alles unter Kontrolle habe. Du nicht.«
Ich schnaubte, ließ diese letzte Provokation aber unbeantwortet. »So oder so durfte ich nur nicht zu meiner Mom, weil du gemeint hast, dass Dwayne Bailey dort nach mir suchen könnte und ich dadurch nicht nur mich selbst, sondern auch Mom und Dad in Gefahr bringen könnte. Tja, Dwayne Bailey wurde verhaftet, und er hat keinen Grund mehr, nach mir zu suchen. Also kann ich zu meiner Mom.«
»Nicht heute Abend«, widersprach er.
»Ich würde gern wissen, warum.«
»Weil ich dich nicht dorthin bringen werde.«
»Hast du heute Abend schon was Wichtigeres vor? Dann kann sie mich abholen kommen.«
»Hör auf, dich absichtlich dumm zu stellen. Das kaufe ich dir nicht ab. Ich habe dich genau dort, wo ich dich haben will, und dort wirst du auch bleiben.«
Mir riss der Geduldsfaden. »Ich bin nicht dein kleines Sexspielzeug, mit dem du spielen kannst, wann immer dir danach ist. Ich habe mein eigenes Leben, das ich ganz gern wieder aufnehmen würde. Ich muss morgen in die Arbeit.«
»Das kannst du auch. Aber ich werde dich dorthin fahren, nicht deine Mutter.«
»Das ist doch völliger Quatsch. Und wenn irgendwas passiert und du mitten in der Nacht los musst? Es stimmt doch, dass du jederzeit einen Einsatz haben kannst?«
»Das ist möglich, aber ich werde nur selten an einen Tatort gerufen. Dafür sind die Detectives da.«
»Außerdem braucht mich niemand zur Arbeit zu fahren. Mein Auto hat ein Automatikgetriebe, und ich kann mich auch mit einer Hand anschnallen. Ich werde problemlos fahren können, und hör mir auf mit diesem Zwei-Hände-am-Lenkrad-Scheiß.« Inzwischen war ich ebenso fest entschlossen, zu meiner Mutter zu fahren, wie er
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