Die Doppelgaengerin
Allerdings wirkte sein Garten sowieso gepflegt, um der Wahrheit die Ehre zu geben; es war nicht zu übersehen, dass er regelmäßig den Rasen mähte.
Erst um zehn kam er wieder ins Haus, ohne Hemd, schmutzig und mit schweißglänzender Brust, weil es auch nach Sonnenuntergang noch heiß draußen war. Er trat an die Spüle und leerte ein großes Glas Wasser. Sein Adamsapfel hüpfte unter den tiefen Schlucken auf und ab. Am liebsten hätte ich ihn von hinten angesprungen und zu Boden geworfen, aber das hätte mein verflixter Arm nicht mitgemacht.
Schließlich stellte er das Glas in der Spüle ab und sah mich an. »Gehen wir duschen?«
Vielleicht war es ein taktischer Fehler, aber an diesem Abend hatte ich keine Lust, mich lange zu zieren – obwohl ich mich bei ihm nie lange geziert hatte. Trotzdem hatte ich es versucht, ehrlich. Heute wollte ich es nicht einmal versuchen. »Können wir heute Abend auch meine Haare waschen?«
»Klar.«
»Das Fönen wird nicht lange dauern.«
»Egal.« Er ließ ein genüssliches Lächeln aufleuchten. »Ich genieße so lange die Landschaft.«
Man braucht kein Genie zu sein, um sich auszurechnen, wie die nächste Stunde ablief. Wir waren beide nass und glitschig und geil, und ich pfiff auf jede Selbstbeherrschung – wenigstens dieses eine Mal – und warf mich ihm an den Hals. Wir fingen in der Dusche an – danach war uns eine schwer schnaufende Atempause vergönnt, während er meine Haare fönte – und endeten im Bett.
Irgendwann wälzte er sich mit einem Stöhnen von mir runter, keuchend und mit einem Arm über den Augen. Ich keuchte ebenfalls und war vor Lust und Erschöpfung fast gelähmt. Fast. Ich brachte noch genug Energie auf, um auf ihn zu krabbeln, mich auf seinem Bauch auszustrecken und ihn auf Kinn, Mund, Hals und andere Stellen in Reichweite zu küssen.
»Erbarmen«, sagte er schwach.
»Du kapitulierst, bevor du auch nur weißt, was ich will?«
»Egal was, ich kann nicht mehr. Ich bin tot.« Seine Hand kam auf meinem nackten Po zu liegen, tätschelte ihn müde und plumpste dann schlaff aufs Bett zurück.
»Ich spüre ein postkoitales Glühen. Ich will kuscheln.«
»Kuscheln könnte ich noch hinkriegen.« Seine Lippen zuckten zu einem kurzen Lächeln hoch. »Vielleicht.«
»Bleib einfach liegen und überlass alles Weitere mir.«
»Warum hast du das nicht vor zehn Minuten gesagt?«
»Sehe ich so blöd aus?« Ich wühlte mein Gesicht in seine Nackenbeuge und seufzte wohlig.
»Nein, ich hab dir doch gesagt, du siehst aus wie ein Waffeleis.«
Und genauso hatte er mich abgeleckt. Bei der Erinnerung überlief mich eine Gänsehaut. Hätte ich gestanden, wären meine Knie eingeknickt. Seine Knie waren auch eingeknickt, entsann ich mich zufrieden. Nicht nur er konnte diesen Trumpf ausspielen.
Ich lächelte und spielte mit dem Gedanken, diese Episode zu wiederholen. Aber nicht sofort. Später vielleicht. Ich gähnte, und mitten unter dem Kuscheln gingen die Lichter aus.
Als wir am nächsten Morgen frühstückten, rief meine Mom an. Das erfuhr ich aber erst hinterher. Wyatt ging ans Telefon, sagte zweimal: »Ja, Madam«, dann: »Sieben« und noch einmal »Ja, Madam«, bevor er wieder auflegte.
»Deine Mutter?«, fragte ich, als er wieder am Tisch saß.
»Nein, deine.«
»Meine Mutter? Was wollte sie denn? Warum hast du sie nicht mit mir sprechen lassen?«
»Sie wollte nicht mit dir sprechen. Sie hat uns für heute Abend um sieben zum Essen eingeladen. Ich habe zugesagt.«
»Ach ja? Und wenn ich arbeiten muss?«
»Um dich zu zitieren: ›Sehe ich so blöd aus?‹ Ich werde auf jeden Fall hingehen. Und du wirst ebenfalls kommen, selbst wenn ich dich schreiend und zeternd aus dem Great Bods zerren muss. Vereinbare mit Lynn, dass sie bis zum Abend bleibt.«
Ich verdrehte die Augen, was ihm ein gehässiges »Was denn?« entlockte.
»Bevor du mir Befehle erteilst, Lieutenant, solltest du lieber fragen, welche Vereinbarungen ich bereits getroffen habe.«
»Okay, welche Vereinbarungen hast du bereits getroffen?«
Was für ein Klugscheißer. »Lynn hat heute Morgen geöffnet und geht heim, sobald ich komme, während ich die Tagesschicht übernehme. Dafür kommt sie um fünf noch mal und bleibt bis zum Schluss. Auf diese Weise arbeitet sie heute Morgen drei Stunden und heute Abend vier Stunden. So werden wir es halten, bis ich meinen Arm wieder gebrauchen kann, weil es morgens und abends Sachen zu tun gibt, die man einarmig nur schwer erledigen kann. Deine Befehle
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