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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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einen Klaps auf den Hintern, der um einige Grade zu hart ausfiel, als daß er etwa liebevoll gewirkt hätte. Und dann marschierte er auch schon los, zu jenem Baum an der Straße, wo er sein Fahrrad gelassen hatte. Das Geld für Triebwagen und Bus sparend, war er über dreißig Kilometer zu Meggie gestrampelt, und nun hieß es dreißig Kilometer zurück.
    »Arme kleine Seele!« sagte Anne zu Luddie. »Ich könnte ihn umbringen!«
    Der Januar kam und ging vorbei, der ruhigste Monat für Zuckerrohrschnitter, doch Luke ließ sich nicht blicken. Er hatte zwar davon gesprochen, Meggie vielleicht nach Sydney mitnehmen zu wollen, aber bei diesem Vielleicht blieb es auch. Statt mit Meggie fuhr er mit Arne nach Sydney. Arne war Junggeselle und hatte eine Tante, die in Rozelle ein Haus besaß, eine sehr praktische Sache, denn von dort konnte man zu Fuß zu den CSR, den Colonial Sugar Refineries, sparte also das Geld für den Bus oder was immer. Die Betonmauern der Raffinerien schienen zu einem gigantischen Festungswerk zu gehören, und dort konnte ein Schnitter Arbeit bekommen, sofern er über gute Verbindungen verfügte. Luke und Arne verdienten sich ihr Geld mit dem Stapeln von Zuckersäcken, und in ihrer freien Zeit vergnügten sie sich mit Schwimmen oder Surfing. Meggie lebte natürlich weiter bei den Müllers. Schwitzend durchstand sie die feuchte Jahreszeit, in aller Kürze nur »die Feuchte« genannt, und damit meinte man nichts anderes als die Monsun-Saison. Außer der »Feuchten« gab es auch noch »die Trockene«, die von März bis November dauerte und in diesem Teil des Kontinents keinesfalls wirklich trocken war, dafür jedoch, im Vergleich zur »Feuchten«, geradezu himmlisch. Während der »Feuchten« öffnete der Himmel seine Schleusen und spie Wasser aus, nicht ununterbrochen, sondern gleichsam in Anfällen, in Aufwallungen. Und zwischen den unglaublichen Wolkenbrüchen dampfte das Land, große Wolken aus weißem Dunst stiegen empor von den brachliegenden Feldern, vom Zuckerrohr, vom Dschungel, von den Bergen. Je mehr Zeit verging, desto größer wurde Meggies Heimweh. Inzwischen wußte sie, daß North Queensland für sie nie zur neuen Heimat werden konnte. Zum einen war das Klima nichts für sie, und der Grund dafür lag vielleicht darin, daß sie den größten Teil ihres Lebens in einer ausgesprochen trockenen Region verbracht hatte. Und zum anderen - o Gott, da gab es so vieles. Die Einsamkeit setzte ihr zu, das Gefühl einer geradezu erdrückenden Lethargie. Und dann die vielen Insekten und Reptilien, vor denen man nirgends sicher zu sein schien, auch nicht im Haus. Riesenkröten, Taranteln, Ratten, Schaben aller Art, vieles mehr, es war so ungeheuerlich, und sie fürchtete sich davor. Am meisten aber haßte sie das Dunny. Nun hatte es damit zunächst allerdings eine eher lustige Bewandtnis. Genauso wie die Einheimischen Gillanbone meist nur Gilly nannten, begnügte man sich hier in der Regel mit Dunny für Dungloe.
    Daneben hatte Dunny aber noch eine Bedeutung: Man bezeichnete damit auch die Toilette, den Lokus. Und bei einem
    Dunny in Dunny, einem Dunny-Dunny, verging einem aller Spaß, und zwar gründlich. Wegen des Klimas hier konnte man sich nicht einfach mit einem Loch im Boden begnügen, schon allein wegen der Typhusgefahr. Ein Dunny-Dunny war daher eine Art geteerter Blechkasten, aus dem es so grauenvoll stank, daß es einem den Magen umstülpte. Außerdem erwachten, wenn man ihn benutzte, wimmelnde Würmerscharen zum Leben. Jeweils nach einer Woche wurde er entfernt und durch einen leeren ersetzt, und das war bei weitem nicht bald genug. Alles in Meggie rebellierte dagegen, solche Dinge als normal hinzunehmen und dagegen so gleichgültig zu werden wie fast alle hier. Nicht einmal ein ganzes Leben würde ihr genügen, um sich damit auszusöhnen. Allerdings, so grübelte sie bedrückt, konnte es durchaus sein, daß sie ihr ganzes Leben hier in North Queensland zubringen mußte, es sei denn, Luke würde irgendwann einmal zu alt, um noch Zuckerrohr zu schneiden.
    Sosehr sie sich nach Drogheda sehnte und immer wieder davon träumte, sie war viel zu stolz, um ihrer Familie zu gestehen, daß ihr Mann sie vernachlässigte. Ehe sie das zugab, so versicherte sie sich selbst nachdrücklich, nahm sie lieber dieses Lebenslänglich auf sich.
    Monat nach Monat verging, dann ein ganzes Jahr, und schließlich näherte sich sogar schon das zweite seinem Ende. Wenn Meggie es überhaupt auf »Himmelhoch« aushielt, so

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