Die Dornenvögel
geringsten Unaufmerksamkeit von einem Schwert durchbohrt zu werden, begannen sie, sich mit großem Geschick zwischen den Klingen hindurchzubewegen.
Ein schriller Schrei übertönte plötzlich die hellen Dudelsackklänge, die jeden Winkel des Raums erfüllten und die Luft vibrieren ließen. Die Musikanten leiteten jetzt über zu einer anderen Weise, »All the Blue Bonnets over the Border«. Die Schwerter wurden vom Fußboden hochgehoben, und nun beteiligten sich alle anwesenden Männer am Tanz, wobei sie einander unterhakten, ein Bild wild wirbelnder Kilts, das sich in seiner bunten Bewegtheit vor dem Blick der Zuschauerinnen zu verwischen schien, so rasch glitten die verschiedenen Phasen ineinander über. Reels, Strathspeys, Flings, all diese Tänze tanzten sie, und ihre behenden Füße trommelten gleichsam auf die Bodenbretter den Takt, dessen Echo dann vom Dachgebälk widerhallte. Die Schnallen an ihren Schuhen blitzten, und jedes Mal, wenn beim Tanz eine neue Phase einsetzte, warf einer der Männer den Kopf in den Nacken und stieß jenen schrillen, ja gellenden Schrei aus, der sofort mit einer Vielzahl ebenso gellender ekstatischer Schreie beantwortet wurde. Die Frauen schienen völlig vergessen. Sie waren jetzt nichts als eine stumme Zuschauerschar. Früh um vier brach man schließlich auf, der Ceilidh war zu Ende. Doch was die Gäste draußen erwartete, war nicht die Frische eines Morgens in Schottland. Weit entfernt befand man sich hier von Blair Atholl oder Skye - inmitten der Schwüle einer tropischen Nacht. Träge schien sich der große, schwere Mond über die unendlichen, stemenfunkelnden Weiten des Himmels zu schleppen, und alles war gleichsam verseucht vom stinkenden Miasma der Mangroven. Doch das letzte, was Meggie hörte, als sie zu dritt in Arnes schnaufendem alten Fort losfuhren, war die wie klagende Weise »Flowers o’ the Forest«, Abschiedsgruß an die Gäste auf deren Heimweg. Heimweg? Wo war denn das eigene Heim? Und wo war die Heimat? »Nun, hat’s dir gefallen?« fragte Luke. »Es hätte mir mehr gefallen, wenn ich mehr getanzt hätte.« »Was? Bei einem Ceilidh? Nun hör aber auf, Meg! Eigentlich sollen da nur die Männer tanzen. Wir sind also wirklich sehr nett zu euch Frauen, daß wir euch bei so etwas überhaupt tanzen lassen.« »Es scheint mir, daß es viele Dinge gibt, die nur Männer tun, vor allem, wenn es sich um solche Dinge handelt, die Spaß machen.« »Na, das tut mir aber leid!« sagte Luke steif. »Da habe ich gedacht, ein bißchen Abwechslung wäre dir sicher ganz lieb. Und deshalb habe ich dich mitgenommen, was ich ja nicht zu tun brauchte, weißt du! Wenn du nicht dankbar bist, werde ich dich eben nicht wieder mitnehmen.«
»Das dürfte ohnehin nicht deine Absicht sein«, sagte Meggie. »Denn inzwischen ist dir wohl klargeworden, daß es gar nicht so klug von dir war, mir auch nur ein Stück deines gewohnten Lebens zu zeigen. Ich habe in den vergangenen Stunden eine Menge gelernt, allerdings weniger das, was du mir wohl gern zeigen wolltest. Es wird allmählich schwerer, mich zum Narren zu halten, und wenn du’s genau wissen willst, ich hab’s ganz einfach satt - dich, mein Leben hier, alles!«
»Pssst!« zischte er, schockiert und empört zugleich. »Wir sind nicht allein!«
»Dann komm doch allein!« fauchte sie ihn an. »Wann habe ich schon mal die Gelegenheit, mit dir länger als ein paar Minuten allein zu sein?«
Am Fuß des Hügels, auf dem »Himmelhoch« lag, brachte Arne seinen alten Ford zum Stehen. Er musterte Luke mit einem teilnahmsvollen Blick. »Geh nur, Kumpel«, sagte er. »Begleite sie hinauf. Ich werde hier auf dich warten. Laß dir ruhig Zeit.« Sobald sie sich außer Arnes Hörweite befanden, nahm Meggie den Faden wieder auf. »Ich meine es ernst, Luke! Der Wurm beginnt sich zu winden, verstehst du? Ich weiß, daß ich dir Gehorsam gelobt habe, aber du hast ja auch gelobt, mich zu lieben und zu achten - also sind wir beide Lügner! Ich will heim nach Drogheda!« Er dachte an die zweitausend Pfund, die sie weiterhin jedes Jahr bekommen würde, nur daß die Summe nicht mehr auf sein Konto gelangte.
»Oh, Meg!« sagte er wie hilflos. »Schau, Liebes, es wird ja nicht für immer sein, das verspreche ich dir! Und in diesem Sommer nehme ich dich nach Sydney mit, darauf gibt dir ein O’Neill sein Wort! Im Haus von Arnes Tante wird eine Wohnung frei, und dort können wir für drei Monate bleiben und eine herrliche Zeit verleben! Und was das
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