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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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hören lassen?«
    »Er hat ein Telegramm geschickt. Er hat zuviel zu tun und kann deshalb nicht kommen. Aber er wünscht alles Gute.« »Wie großmütig von ihm«, sagte Meggie.
    Anne beugte sich rasch zu ihr und küßte sie auf die Wange. »Wir werden Sie jetzt mit dem Erzbischof allein lassen, Liebes. Sie beide haben einander gewiß viel zu erzählen.« Sich auf Luddie stützend, blickte sie zur Krankenschwester. »Kommen Sie, Nettie, trinken Sie eine Tasse Tee mit uns. Falls Meggie Sie braucht, wird der Herr Erzbischof Sie schon rufen.«
    »Hast du für deine so lungenkräftige Tochter schon einen Namen?« fragte er, als sich die Tür schloß und sie allein waren. »Justine.«
    »Das ist ein sehr schöner Name. Wie bist du darauf gekommen?« »Ich bin irgendwo beim Lesen darauf gestoßen, und er hat mir gefallen.«

»Willst du das Kind eigentlich, Meggie?« fragte er. Ihr Gesicht wirkte sehr klein, schien nur aus Augen zu bestehen.
    Eine eigentümliche, verschleierte Helle war in ihnen, nicht Haß, aber auch nicht Liebe. »Ich glaube, ich will sie. Ja, ich will sie. Schließlich habe ich alles darangesetzt, sie zu bekommen. Aber als ich dann mit ihr schwanger war, konnte ich überhaupt nichts für sie empfinden, außer daß ich das Gefühl hatte, daß sie mich nicht wollte. Ich glaube, Justine wird niemals mir gehören oder Luke oder sonst irgend jemandem, sondern immer nur sich selbst.« »Ich muß gehen, Meggie«, sagte er leise.
    Jetzt trat in ihre Augen ein harter Glanz, ihr Mund verzerrte sich. »Das konnte ich mir denken! Sonderbar, daß die Männer in meinem Leben immer und unaufhörlich dringend zu tun haben.« Er zuckte leicht zusammen. »Sei nicht so verbittert, Meggie. Ich möchte dich nicht mit dem Gefühl verlassen, daß du die Welt so völlig trostlos siehst. Früher hast du dir, allen Umständen zum Trotz, immer das bewahrt, was dich mir so besonders teuer gemacht hat - deine Lieblichkeit. Ändere dich nicht. Laß nicht plötzlich Schroffheit und Härte in dein Wesen treten, so verständlich das unter den jetzigen Umständen auch immer wäre. Es muß ein furchtbares Gefühl für dich sein, daß Luke nicht einmal jetzt gekommen ist, aber bitte - bleibe wie du bist - oder warst. Sonst würdest du nicht mehr meine Meggie sein.«
    Der Glanz in ihren Augen verlor nichts von seiner Härte. Was bedeutete er, dieser Ausdruck - Haß? Fast schien es so. »Hör schon auf, Ralph!« sagte sie. »Ich bin nicht deine Meggie, bin’s nie gewesen! Du hast mich nicht gewollt, hast mich zu ihm getrieben, zu Luke. Wofür hältst du mich eigentlich - für eine Heilige oder eine Nonne? Ich bin weder das eine noch das andere. Ich bin ein ganz normaler Mensch, und du hast mein Leben verpfuscht! All die Jahre habe ich dich geliebt, und ich wollte niemanden außer dir und habe auf dich gewartet ... Ich habe so sehr versucht, dich zu vergessen, aber dann habe ich einen Mann geheiratet, der dir ein bißchen ähnlich sah, doch er will und braucht mich genausowenig wie du. Ist es von einem Mann zuviel verlangt, wenn man sich wünscht, daß er einen will und braucht?«
    Sie begann zu schluchzen, beherrschte sich jedoch sofort. Aber die feinen, kaum merklichen Linien, die er in ihrem Gesicht entdeckte, waren früher nicht da gewesen.
    »Luke ist kein schlechter Mann«, fuhr sie fort. »Er ist nur ganz einfach - ein Mann. Ihr seid ja alle gleich: Wie große Nachtfalter seid ihr, strebt irgendeiner Flamme, irgendeinem Licht entgegen und seht nicht, daß es sich hinter einer Glasscheibe befindet. Und rennt dagegen an, rennt euch die Köpfe ein. Und wenn es euch doch irgendwie gelingt, hinter die Scheibe zu schlüpfen, so fallt ihr verbrannt zu Boden. Dabei war in der Kälte der Nacht für euch Liebe da und Nahrung. Nein! Ihr seid blind für alles außer für diese züngelnde Flamme, und zu ihr wollt ihr immer und immer wieder, auch wenn ihr dabei umkommt - und ihr kommt um!« Er wußte nicht, was er ihr erwidern sollte. Dies war eine Seite an ihr, die er bisher nicht gekannt hatte. Hatte er das früher einfach übersehen? Hatte es sich erst jetzt entwickelt, gleichsam als bittere Frucht der letzten Jahre und Monate? Meggie sagte so etwas!? Tief verstört darüber, daß sie es sagte, erkannte er nicht, daß die Worte ihrer Einsamkeit entsprangen und ihrem Schuldgefühl. »Erinnerst du dich noch an die Rose, die du mir gegeben hast, als ich damals von Drogheda fortritt?« fragte er zärtlich. »Ja.« Ihre Stimme klang wie leblos, ihre

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