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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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den Morgen danach, mit Katerstimmung oder so ähnlich. Ich bin ja auch, ganz schlicht gesagt, ein Idiot, die Realitäten so schnell zur Sprache zu bringen. Nun ja, nachdenken mußt du darüber so oder so, und ich möchte dich noch einmal daran erinnern, Liebchen - wenn ich dich nicht zur Frau haben kann, dann will ich dich überhaupt nicht.« Sie schlang die Arme um seinen Hals, klammerte sich an ihm fest. »Oh, Rain, mach’s mir doch nicht so schwer!« rief sie.
    Allein fuhr Dane in seinem Lagonda den italienischen Stiefel hinauf. Er nahm die Route Perugia-Firenze-Bologna-Ferrara- Padova. Die Nacht verbrachte er in Triest, wo er dann noch zwei Tage blieb. Er liebte diese Stadt ganz besonders. Dann ging es weiter nach Ljubljana und nach Zagreb, wo er als nächstes Zwischenstation machte. Jetzt folgte er der Save, erreichte schließlich Belgrad und fuhr von dort weiter nach Nisch. Hier übernachtete er und setzte dann seine Reise fort in Richtung Skopje, der Hauptstadt von Makedonien. Noch waren allenthalben die Trümmer zu sehen, welche das inzwischen zwei Jahre zurückliegende Erdbeben hinterlassen hatte. Er gelangte nach Titov-Veles, der Urlaubsstadt, die mit ihren Moscheen und Minaretten schon einen recht fremdländischtürkischen Anstrich hatte. Überall in Jugoslawien hatte er sich aufrecht frugale Mahlzeiten beschränkt, weil er sich genierte, mit einem großen Teller voll Fleisch dazusitzen, während sich die Einheimischen, jedenfalls die Landbevölkerung, mit Brot begnügten.
    Bei Evzone überquerte er die Grenze nach Griechenland, und dann war er in Thessaloniki. Die italienischen Zeitungen waren voll gewesen von Nachrichten über den Umsturz, der sich in Griechenland abzeichnete. Und als er jetzt, von seinem Hotelzimmer aus, Tausende hin und her schwankende Fackeln sah, die das nächtliche Dunkel erhellten, war er froh, daß Justine nicht mitgekommen war. »Pap-an-dre-ou! Pap-an-dre- ou! Pap-an-dre-ou!« skandierte die Menge, und die Rufe und das Flackern der Fackeln währten bis nach Mitternacht.
    Doch Revolutionen, politischer Umsturz - solche Phänomene beschränkten sich in der Regel auf Städte, auf Orte, wo viele Menschen wohnten und wo vielfach große Armut herrschte. Aber draußen im eigentlichen Thessalien sah es wohl noch immer nicht viel anders aus als zu der Zeit, als Cäsars Truppen durch das Land gezogen waren und dann bei Pharsalos den Sieg über Pompeius’ Streitmacht errungen hatten. Hirten schliefen im Schatten ihrer Fellzelte. In ihren Nestern auf alten, weißgetünchten Häusern sah man auf einem Bein Störche stehen, und überall schien eine furchtbare Trockenheit zu herrschen. Hoher, blauer Himmel, braune, baumlose Weiten - unwillkürlich fühlte Dane sich an Australien erinnert. Tief sog er die Luft in sich ein und lächelte. Und ganz von selbst stellte er sich ein, der Gedanke: Wie schön es doch sein könnte, nach Hause zurückzukehren und sich mit Mum über alles auszusprechen. In der Nähe von Larissa kam er ans Meer. Er hielt an und stieg aus. Dort lag sie, Homers weindunkle See, in Strandnähe noch ein klares
    Aquamarin, doch dann, weiter zum Horizont hin, purpurfleckig wie vom Saft dunkler Trauben. Ein Stück unterhalb der Stelle, wo er stand, sah er auf einer grünen Grasfläche eine winzige runde Tempelstätte mit Säulen, ein weißes Blinken in blendendem Sonnenschein, und hinter ihm auf einer Anhöhe befand sich eine Kreuzfahrerfestung, ein eigentümlich finster wirkender Bau. Griechenland, dachte er, du bist schön, du bist wunderschön. Du bist schöner als Italien, sosehr ich Italien auch liebe. Doch hier stand die Wiege, daran kann nichts etwas ändern.
    Er hielt sich nicht lange auf. Es drängte ihn, nach Athen zu kommen. Der rote Sportwagen folgte den Windungen der Straße durch den Domokos-Paß und war dann in Bootien. Durch Olivenhaine ging die Fahrt, vorbei an rostfarbenen Hügelhängen und an Bergen. Trotz seiner Eile nahm Dane sich die Zeit, bei den Thermopylen zu halten, wo 480 v. Chr. der spartanische König Leonidas mit seinen 1400 Soldaten dem weit überlegenen Heer des Perserkönigs Xerxes einen heldenmütigen Kampf geliefert hatte. Er betrachtete das sogenannte Leonidas-Grab, ein Monument, das ihm sonderbar hollywoodartig vorkam, mit dem berühmten Epigramm, das in freier Übersetzung lautete: »Wanderer, kommst du nach Sparta, verkünde dorten, du habest uns hier liegen gesehen, wie das Gesetz es befahl.« Es ließ eine Saite in ihm anklingen, und fast

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