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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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wollte es ihm scheinen, daß er die Worte schon einmal gehört hatte, wenn auch in einem anderen Zusammenhang. Er schüttelte sich unwillkürlich und fuhr bald weiter. Gegenüber von Khalkis legte er wieder eine Pause ein und benutzte die Gelegenheit, um im klaren Wasser zu schwimmen. Über die Enge blickte er hinweg nach Euboa. Von dort drüben, von Aulis, waren sie wohl ausgelaufen, jene tausend Schiffe der Griechen, auf ihrem Weg nach Troja. Die Strömung schien hier recht stark zu sein und zog den Schwimmer in Richtung Meer. Nun, dachte Dane, für die Ruderer in den griechischen Booten
    war das seinerzeit zweifellos eine Erleichterung gewesen.

Als er wieder im Badehaus war, konnte er gar nicht schnell genug davonkommen. Die alte, schwarzgekleidete Bedienerin wußte sich nicht zu lassen über seine Schönheit und kakelte, spektakelte, daß es ihm nur so in den Ohren klang. Er war es seit langem nicht mehr gewohnt, offene und ungescheute Bemerkungen über sein Aussehen zu hören. Nur zwei große Stücke Kuchen kaufte er sich noch rasch im Laden, als Wegzehrung, dann fuhr er weiter die attische Küste entlang und erreichte bei Sonnenuntergang Athen, ein wunderbarer Anblick, der goldübergossene Fels mit den gleichsam krönenden Säulen. Doch die Stadt selbst schien ihm zu hektisch, und die offene Bewunderung der Frauen setzte ihn in Verlegenheit. Römerinnen waren da doch viel zurückhaltender, viel reservierter. Außerdem brodelte es noch überall: politische Unruhe, genau wie in Saloniki, Rufe nach Papandreou. Nein, im Augenblick war Athen nicht das, was es wohl sonst war. Und so stellte er nach kurzem Überlegen seinen Lagonda in einer Garage unter und fuhr mit dem Schiff nach Kreta. Und dort endlich, inmitten der Berge der Olivenhaine und des wilden Thymians, fand er seinen Frieden. Nach einer längeren Busfahrt, die ihm in der Erinnerung als Gegacker der mitreisenden Hühner sowie als Geruch von Knoblauch haftenblieb, fand er ein kleines, weißgetünchtes Gasthaus mit einer Art gewölbtem Säulengang davor. Draußen standen, auf Steinplatten, drei Tische mit Sonnenschirmen. In der Nähe wuchsen Pfefferbäume und australischer Eukalyptus, eigens hier angepflanzt, weil das Klima für europäische Bäume zu trocken war. Grillen zirpten, rötlichbraune Staubwolken wirbelten. Wieder Drogheda.
    Die Nacht verbrachte er in einem winzigen, zellenartigen Raum bei weitgeöffnetem Fenster. Am nächsten Morgen hielt er in aller Frühe ganz für sich allein eine Messe, den Tag über wanderte er. Niemand belästigte ihn, er seinerseits sprach niemanden an. Doch wenn er an den Landleuten vorüberkam, folgten ihm ihre verwunderten Blicke, und alle Gesichter legten sich gleichsam in tiefere, lächelnde Falten. Es war heiß und still, das Land war schläfrig. Der vollkommene Friede. Tag folgte Tag wie die Perlen eines Rosenkranzes, der durch eine ledrige kretische Hand glitt.
    Lautlos betete er, und so wie die Tage aneinandergereihten Perlen glichen, so jetzt auch seine Gedanken. Herr, ich gehöre wahrhaft dir. Für die vielen Gnaden, die du mir erwiesen hast, danke ich dir. Für den großen Kardinal, für seine Hilfe, für seine tiefe Freundschaft, für seine nie versagende Liebe. Und ich danke dir für Rom und dafür, daß ich in deiner Basilika zum Priester geweiht wurde und in mir den Fels deiner Kirche spürte. Die vielen Gnaden, die du mir erwiesen hast, ich bin ihrer nicht würdig, o Herr, wie nur kann ich dir meine Liebe beweisen? Ich habe nicht genug gelitten. Seit ich in deine Dienste trat, ist mein Leben eine einzige vollkommene Freude. Ich muß leiden, und du, der du gelitten hast, wirst es wissen. Denn nur durch Leiden kann ich mich über mich selbst erheben und dich besser verstehen, o Herr. Dies ist es, das Leben: der Weg zum Begreifen deines Geheimnisses. Stoße deinen Speer in meine Brust. Vergrabe ihn so tief darin, daß ich ihn nie wieder werde herausziehen können! Laß mich leiden. Für dich werde ich alle anderen verlassen, selbst meine Mutter und meine Schwester und den Kardinal. Du allein bist mein Schmerz, meine Freude. Erniedrige mich, Herr, und ich werde deinen geliebten Namen singen. Vernichte mich, und ich werde jubeln. Ich liebe dich. Nur dich ... Er hatte jetzt jenen kleinen Strand zwischen Felsblöcken erreicht, wo er gern lagerte, wenn er schwimmen wollte. Für einige Sekunden blickte er über das Mittelmeer hinweg in jene Richtung, wo Libyen liegen mußte. Dann hüpfte er leichtfüßig vom Stein

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