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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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sogenannten Schurhüttenbälle: Im allgemeinen waren, im Gilly-Distrikt, Vergnügungen dieser Art gewissermaßen demokratisch geprägt, und vom Stationsarbeiter bis zum Dienstmädchen nahm alles daran teil. Pünktlich um Mitternacht verließen Bob und Jack mit Meggie die Party. Fee und Paddy blieben noch. Sie vergnügten sich so prachtvoll, daß sie auf ihre Kinder gar nicht mehr weiter geachtet hatten. Mochten diese auch nicht tanzen können, sie selbst konnten es, und sie taten es, meist miteinander.
    Pater Ralph beobachtete das Ehepaar. Noch nie, so schien ihm, hatte er Paddy und Fee in so augenfälliger Harmonie erlebt, so vollkommen aufeinander abgestimmt. Verwundern konnte das allerdings kaum. Sonst sah man sie ja nie, ohne daß nicht wenigstens eines ihrer Kinder irgendwo in der Nähe gewesen wäre - charakteristisch für das Zusammenleben in großen Familien, aber für die Eltern gewiß nicht immer ganz leicht. Die einzigen Augenblicke wirklicher Gemeinsamkeit blieben ihnen im Schlafzimmer, und dabei war ihnen zweifellos weniger nach traulichen Gesprächen zumute. Um so mehr genossen jetzt Fee und Paddy ganz unverkennbar diese Stunden hier. Er war ja eigentlich immer fröhlich und vergnügt, doch sie - nun, man konnte nur staunen, in welchem Maße sie geradezu buchstäblich zu strahlen schien. Als Paddy die Frau irgendeines Squatters zu einem Pflichttanz aufforderte, fehlte es Fee wahrlich nicht an eifrigen Partnern, während so manche wesentlich jüngere Frau einsames Mauerblümchen blieb.
    Doch diese Beobachtungen machte Pater Ralph gleichsam nur zwischendurch. Kaum hatte Meggie die Party verlassen, so fühlte er sich auf einmal zehn Jahre jünger - und erfüllt von dem kaum bezähmbaren Wunsch, selbst das Tanzbein zu schwingen. Und das tat er denn auch. Zur Verblüffung von Miß Hopeton, Miß Mackail, Miß Gordon und Miß O’Mara tanzte er mit Miß Carmichael einen Black Bottom, und er tanzte ihn ausgezeichnet. Anschließend kamen dann alle ledigen jungen Damen an die Reihe, selbst die so unansehnliche Miß Pugh; und da die Stimmung inzwischen jenen Höhepunkt erklommen hatte, wo allgemeines Wohlwollen sich verströmt und Seelen zur Verschwisterung neigen, fand niemand etwas dabei, daß der Priester so emsig das Tanzbein schwang, im Gegenteil. Man bewunderte seine Liebenswürdigkeit und Freundlichkeit ebenso wie seinen Eifer und sprach untereinander auch angeregt darüber. Schließlich tanzte er ja mit allen jungen Damen, vernachlässigte keine (so daß sich auch kein Elternpaar zurückgesetzt zu fühlen brauchte), und es machte Freude, mit ansehen zu können, daß ein so prachtvoller Mensch wie der Pater sich einmal so richtig vergnügte. Allerdings: Wäre dies keine private Party gewesen, so hätte er natürlich keinen einzigen Schritt in Richtung Tanzboden machen können.
    Es wurde eins, es wurde zwei. Um drei Uhr erhob sich Mary Carson und gähnte. »Nein, nein, macht nur weiter! Wenn ich müde bin - und ich bin’s -, so kann ich doch zu Bett gehen, und genau das werde ich jetzt tun. Doch es ist noch reichlich zu essen und zu trinken da, und die Band ist dazu engagiert, so lange zu spielen, wie noch jemand tanzen möchte. Mich stört die Musik nicht, im Gegenteil. Sie wird mithelfen, mich in Träume zu wiegen. Pater, würden Sie mir bitte die Treppe
    hinaufhelfen?«
    Doch als sie mit ihm dann den Empfangsraum verlassen hatte, strebte sie nicht der majestätisch ausschwingenden, breiten Treppe entgegen, sondern wandte sich, schwer auf den Arm des Priesters gestützt, in Richtung Salon. Die Tür war abgeschlossen. Mary Carson gab dem Pater den Schlüssel, wartete, bis er geöffnet hatte, trat dann vor ihm ein. »Es war eine gute Party, Mary«, sagte er. »Meine letzte.«
    »Sagen Sie das nicht, meine Teure.«
    »Warum nicht? Ich bin es leid zu leben, und so werde ich damit aufhören.« Sie musterte ihn spöttisch. »Sie glauben mir nicht? Nun, seit über siebzig Jahren habe ich immer genau das getan, was ich tun wollte, wann ich es tun wollte. Falls der Tod also meint, daß er es ist, der den Zeitpunkt für meinen Abgang bestimmt, so irrt er sich ganz gewaltig. Ich werde sterben, wann es mir paßt, und an Selbstmord denke ich dabei nicht, weshalb auch. Denn einzig unser Wille ist es ja, der uns am Leben hält. Wenn dieser Lebenswille schwindet, ist es gar nicht schwer, schließlich aufzuhören, wenn man’s nur wirklich will. Und ich bin es leid. Ich bin müde und möchte aufhören. Sehr

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