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Die Dornenvögel

Die Dornenvögel

Titel: Die Dornenvögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCoullough
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einfach.«
    Auch er war es leid. Nicht das Leben als solches, aber doch - nun ja - so manchen seiner Aspekte. Das endlose Spiel der Masken zum Beispiel; und das Klima; und die Tatsache, daß er keine Freunde besaß, mit denen er seine Interessen teilen konnte; und - ja, auch sich selbst war er leid.
    Der Raum wurde nur von einer Petroleumlampe erhellt. Durch kostbares rubinrotes Glas fiel ein schwacher rötlicher Schein, der fast wie ein Schatten war, auf Mary Carsons Gesicht und verwandelte es gleichsam in eine diabolische Maske. Der Pater spürte die Müdigkeit in seinem Körper. Seine Füße und sein Rücken schmerzten. Es war lange her, seit er so ausgiebig getanzt hatte, auch wenn er seinen Stolz darein setzte, über den jeweils letzten Modetanz »auf dem laufenden« zu sein. Nun ja: fünfunddreißig Jahre alt, ein Landpriester, ohne jedwede Zukunftsaussichten ... ein Mann, dessen hoffnungsvolle Zukunft im Schoß der Kirche zu Ende gewesen war, noch bevor sie beginnen konnte. Oh, die Träume der Jugend! Und die nicht im Zaum gehaltene Zunge in jenen Jahren! Der Mangel an Selbstkontrolle, die überschießende Hitzköpfigkeit. Nein, er war nicht stark genug gewesen, die Prüfung zu bestehen. Aber nie wieder würde er den Fehler machen. Nein, nie, niemals ... Er bewegte sich unruhig, seufzte; was half’s? Die Gelegenheit würde nicht wiederkommen. Es war an der Zeit, es war wirklich an der Zeit, daß er ein für allemal aufhörte, zu hoffen und zu träumen. »Erinnern Sie sich, Ralph, daß ich zu Ihnen gesagt habe, ich würde Sie mit Hilfe Ihrer eigenen Schwächen an die Wand nageln?« Die mürbe, raspelnde alte Stimme riß ihn aus der Grübelei, in die er in seiner Müdigkeit versunken war. Er blickte zu Mary Carson und lächelte.
    »Teure Mary, ich vergesse nie etwas, das Sie sagen. Was ich in den vergangenen sieben Jahren ohne Sie hätte anfangen sollen, weiß ich einfach nicht. Ihr Witz, Ihre Boshaftigkeit, Ihre Einfühlungsgabe ... « »Wäre ich jünger gewesen, so hätte ich Sie auf andere Art an mich gezogen. Sie werden nie wissen, wie sehr ich mir gewünscht habe, dreißig Jahre meines Lebens aus dem Fenster werfen zu können. Wäre der Teufel gekommen und hätte mir für meine Seele die Chance geboten, wieder jung zu sein, ich hätte keine Sekunde gezögert ... und den Handel auch nie wieder bereut wie dieser alte Idiot namens Faust. Es hat sich aber kein Teufel blicken lassen. Ich kann mich nicht dazu bringen, an die Existenz von Gott oder Teufel zu glauben. Bisher habe ich auch nicht den Fetzen eines Beweises dafür gesehen. Sie etwa?«
    »Nein. Aber der Glaube, beruht auch nicht auf irgendwelchen Existenzbeweisen. Der Glaube beruht auf der inneren Gewißheit, auf dem Fürwahrhalten dessen, was in der Heiligen Kirche als Inhalt der göttlichen Offenbarung festgestellt ist. Und dieser Glaube ist das Grundfundament der Kirche. Ohne den Glauben gibt es nichts.«
    »Ein sehr ephemeres Dogma.«
    »Vielleicht. Mir scheint, daß der Glaube im Menschen geboren wird. Für mich ist er ein ständiger Kampf, eine immer wieder neue Auseinandersetzung, ich gestehe es. Doch ich werde den Kampf nie aufgeben.«
    »Ich würde Sie gern vernichten.«
    Aus seinen blauen Augen schien ein Lachen zu blitzen. »Oh, meine teure Mary, das weiß ich.« »Aber wissen Sie auch, warum?«
    Etwas Grauenvolles schien da wach zu werden, eine Art schreckenserregender Zärtlichkeit. Er kämpfte hart dagegen an. »Ich weiß, Mary, ja, ich weiß. Und glauben Sie mir, es tut mir leid.« »Von wieviel Frauen außer Ihrer Mutter sind Sie geliebt worden?« »Hat meine Mutter mich überhaupt geliebt, frage ich mich? Zum Schluß hat sie mich jedenfalls gehaßt. Wie die meisten Frauen. Man hätte mir den Namen Hippolytos geben sollen.« »Ohhhhhhh! Das verrät mir viel! «
    »Was andere Frauen betrifft, so glaube ich, daß nur Meggie ... Doch sie ist ein kleines Mädchen. Wahrscheinlich läßt sich ohne Übertreibung sagen, daß mich Hunderte von Frauen begehrt haben - aber mich geliebt? Das bezweifle ich sehr.« »Ich habe Sie geliebt«, sagte sie leidenschaftlich. »Nein, das haben Sie nicht. Ich bin nur so etwas wie ein provozierender Reiz für Sie in Ihrem Alter. Wenn Sie mich ansehen, wird Ihnen bewußt, was Sie nicht tun können - wegen Ihres Alters.« »Sie irren sich. Ich habe Sie geliebt. Gott, wie sehr! Glauben Sie, daß meine Jahre das automatisch ausschließen? Nun, Pater de Bricassart, dann möchte ich Ihnen etwas sagen. In diesem

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