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Die Drachen von Montesecco

Die Drachen von Montesecco

Titel: Die Drachen von Montesecco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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Franco Marcantoni und Angelo Sgreccia erkennen. Und den alten Curzio, der so lange verschwunden gewesen war. Ivan fragte: »Wie kommst du darauf, daß ich euch verlassen könnte?«
    Wortlos hielt ihm Marta ein paar Blätter Papier entgegen. Es waren seine Bewerbungsunterlagen für die spanische Firma Gamesa. Der Job hätte darin bestanden, Off-Shore-Windanlagen in der ganzen Welt zu betreuen, doch Ivan war gleich in der ersten Bewerbungsrunde herausgeflogen. Neben der formalen technischen Ausbildung fehlten ihm auch die verlangten Fremdsprachenkenntnisse. Mit Spanisch wäre er schon klargekommen, doch von Englisch hatte er keinen Schimmer. Weil er schon geahnt hatte, daß es nichts werden würde, hatte er keinen Grund gesehen, Marta kopfscheu zu machen, denn natürlich hätte er sie und den Jungen wochen-, ja monatelang allein lassen müssen. Er überlegte, ob er sich darüber aufregen sollte, daß Marta in seinen Unterlagen stöberte, doch irgend etwas in ihrem Gesichtsausdruck hielt ihn davon ab. Er sagte: »Erstens wollte ich nur mal sehen, ob es denen auf Diplome oder wirklich aufs Können ankommt,zweitens hätte ich euch auf jeden Fall mitgenommen, und drittens hat sich die Sache sowieso erledigt, jetzt, da ich den Montesecco-Windpark zum Laufen bringe.«
    »Und wenn daraus nichts wird?« fragte Marta. Sie sah sich nach der Gruppe aus dem Dorf um.
    Warum sollte daraus nichts werden? Ivan hatte alles im Griff. Die Planung stand, das Grundkapital war durch das Erbe gesichert, der Wind blies, und technisch war das Ganze sowieso kein Problem. Die paar offenen finanziellen und juristischen Fragen würden sich klären lassen. Ivan deutete auf die Dorfbewohner, die hinter Franco Marcantoni herliefen, und sagte: »Du bist auch nicht anders als die da, Marta! Immer schwarzsehen, keine Phantasie, kein Mut zu kühnen Projekten. Wenigstens du könntest mir mehr zutrauen!«
    »He, Marta!« rief Angelo Sgreccia. Er und die anderen waren noch zwanzig Schritte entfernt.
    »Ich wollte nicht, daß du es von ihnen erfährst«, sagte Marta leise. »Ich habe es wegen der Zukunft unseres Kindes und wegen dir getan. Damit du hier bei uns bleibst.«
    »Was hast du getan?« fragte Ivan.
    Marta schüttelte den Kopf. Ihre Haare flatterten doch im Wind. Die anderen aus dem Dorf waren nun da. Marta beachtete sie nicht, sah nur Ivan an. Es war Angelo Sgreccia, der statt ihrer antwortete: »Sie hat das Testament gefälscht, und du brauchst nicht so zu tun, als hättest du davon nichts gewußt.«
    »Was?«
    »Benito hat überhaupt kein Testament hinterlassen«, sagte der alte Curzio. »Das war Marta, und sie hat auch die Nutten bestochen, damit sie es bezeugen. Franco und ich können …«
    »Das ist doch nicht wahr!« Ivan blickte auf den Windmesser. »Sag, daß das nicht wahr ist, Marta!«
    »Es tut mir leid«, sagte Marta leise.
    Auf dem Feld vor Ivan sollten vier Anlagen mit einer Gesamtleistung von knapp zwölf Megawatt entstehen. Dieachtzig Meter hohen Betontürme wollte er hellblau streichen lassen, so daß sie an einigermaßen klaren Tagen mit der Farbe des Himmels verschmelzen würden. Die gewaltigen dreiflügligen Rotoren hätten dann fast schwerelos in der Luft geschwebt, hätten den Wind zum Nutzen der Menschheit eingefangen und in Schönheit gebändigt. Einen blitzenden Triumph der Technik und seiner eigenen Gestaltungskraft hatte Ivan sich vorgestellt.
    So klar hatte er ihn vor Augen gehabt, daß er nun fast sehen konnte, wie der Wind die Rotorenblätter abknickte, wegtrug und irgendwo zu Staub zerschmirgelte, wie sich Risse in den himmelblauen Masten auftaten, wie der Beton herausbröselte, wie alles kippte und brach und fiel, wie selbst die Fundamente in Stücke zersprangen, die nicht größer und solider waren als die Erdschollen in dem frisch gepflügten Acker vor ihm. Kein Lebenstraum würde im Frühjahr aus diesem Boden hervorwachsen, nur Sonnenblumen oder Weizen oder sonst etwas, über das der Wind sinnlos hinwegfegte, bevor er höhnisch durch Montesecco pfiff, wo die Zeit weiterhin stehenbleiben würde, ganz so, wie es die defekte Uhr am Palazzo Civico beschwor. Kein Windpark, kein Fortschritt, keine Zukunft! Ohne das Geld aus dem Erbe war alles vorbei. Ivan setzte sich auf die feuchte Erde.
    Er hätte nicht mitbekommen, wenn ihn jemand angesprochen hätte, doch das geschah nicht. Selbst Angelo Sgreccia, der allen Grund gehabt hätte, seiner Genugtuung Ausdruck zu verleihen, stand schweigend da. Es war, als würde das

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