Die Drachenflotte (German Edition)
geblieben. Jahrelang hatte Rebecca jeden direkten Kontakt mit ihrem Vater verweigert. Doch durch Emilias Vermittlung war schließlich ein unsicherer Waffenstillstand zustande gekommen, der zu einem ersten vorsichtigen Austausch von Briefen und E-Mails führte, sogar einem gelegentlichen Telefongespräch. Aber sobald Emilia oder Adam etwas versuchten, was darüber hinausging, verschloss sich Rebecca, und der Prozess der vorsichtigen Annäherung wurde um Monate zurückgeworfen.
In der untersten Schublade einer Kommode entdeckte Rebecca das Zubehör für einen Schwangerschaftstest und eine Packung Domperidon, eines Mittels zur Anregung der Milchbildung. Sie lächelte. Emilia hatte immer Mutter werden wollen. Andere Mädchen mochten sich einen Busen wünschen, um die Jungs zu reizen; Emilia hatte sich Brüste nur gewünscht, um ihre Babys stillen zu können. Emilias Traummann war der gewesen, der sie schwängern und dann gehen würde.
Pierre? Wie konntest du ausgerechnet Pierre nehmen?
Eine Frau möchte gehalten werden.
Aber Pierre!
Ein Kind braucht einen Vater.
Aber Pierre!
Als wären deine Entscheidungen viel besser.
Sie hörte ein Auto kommen, ging zur Tür und sah durch den Regen, der jetzt eingesetzt hatte, Scheinwerferlicht. Sicher Pierre, der aus Antananarivo zurückkam. Aber dann erloschen die Lichter, und ein Pick-up kroch beunruhigend verstohlen durch die Einfahrt. Sie trat zurück und blies die Kerze aus. Der Pick-up hielt an, der Motor wurde ausgeschaltet. Beide Türen öffneten sich, und zwei Männer sprangen heraus, die Gesichter mit Baseballmützen und Schals verhüllt. Sie rannten durch den Regen zum Haupthaus, sperrten zu Rebeccas Bestürzung die Tür auf und verschwanden im Inneren. Sie fragte sich, ob sie die Schlüssel ihrem Vater und Emilia abgenommen hatten und hergekommen waren, um das Haus auszuplündern, solange sie gewiss sein konnten, dass es leer stand. Sie beobachtete den huschenden Schein einer Taschenlampe, der die Ränder der Fensterläden umspielte, während die Männer durch die Räume gingen. Ihnen allein entgegenzutreten, wäre Wahnsinn gewesen, aber es gab keinen Grund, sich nicht den Wagen anzusehen und das Kennzeichen zu notieren. Nur trug sie leider ein leuchtend weißes T-Shirt. Auf Zehenspitzen schlich sie zu Emilias Kommode und begann nach etwas Dunklem zu suchen.
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Kapitel 16
I
D er Reiz des Mondscheinspaziergangs hatte sich längst verflüchtigt. Knox blieb entweder bei jedem Schritt mit den Füßen im weichen Sand stecken oder stolperte über Felsenbuckel und durch Mangrovengestrüpp. Als er die Schuhe auszog, um eine kleine Bucht zu durchwaten, flutschte unter seinem Fuß etwas Schlangenähnliches weg. Er riss den Fuß so heftig in die Höhe, dass die Tauchertasche über seiner Schulter ausschwang und er mit einem gewaltigen Fluch seitwärts ins Wasser fiel.
Wolken zogen auf, die Nacht wurde kalt und finster. Er nahm die Tasche von der Schulter und holte seine Taucherlampe heraus. Der nächste Felsbuckel, über den er stolperte, war gischtfeucht und gefährlich glitschig. In der Ferne blitzte es. Ein Windwirbel fegte ihm eine Wolke Staub und tote Blätter entgegen, die ihn peitschend umtanzte. Es fing an zu regnen, zuerst nur leicht, aber sehr bald immer stärker. Er suchte nach einem Unterstand, aber es war nichts da. Er kämpfte sich an weiteren Mangrovengehölzen vorbei, während der Regen dichter wurde und die Blitze näher kamen. Kurz davor aufzugeben, bemerkte er endlich ein Stück weiter vorn ein kleines weißes Gebäude. Die Tür war abgeschlossen, und das kurze Vordach bot herzlich wenig Schutz. Er spähte im Licht der Lampe durch das kleine Fenster, konnte an der hinteren Wand Taucherzeug und einen Kompressor zum Füllen von Pressluftflaschen erkennen. Jetzt konnte es doch nicht mehr weit sein bis Eden.
Mit frischer Energie marschierte er weiter und stieß bald auf ein Schild, das ihn einen ausgefahrenen Weg entlang zu einer Lichtung mit Holzhütten und einem großen, niedrigen Haus wies. Zwischen geparkten Fahrzeugen hindurch rannte er zur schützenden Veranda und sah überrascht, dass die Haustür offen stand und drinnen das Licht einer Taschenlampe herumgeisterte, als hätte es einen Stromausfall gegeben. Er machte sich rufend bemerkbar, als er seine Taschen ablegte, und keinen Augenblick später erschienen zwei Männer mit Baseballmützen auf den Köpfen und Tüchern um den Mund, die offensichtlich nichts Gutes im Sinn hatten.
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