Die Drachenjägerin 1 - Winter, M: Drachenjägerin 1
zu Ohren gekommen.«
» Halt den Mund, alter Mann«, sagte Mora scharf.
Bher seufzte. » Dachten, wir sehen dich nie wieder, Fräulein Linnia.« Er traute sich nicht. Die Frage zuckte um seine Mundwinkel, aber er stellte sie nicht. Sie musste es aussprechen. Die Lüge. Diese unglaubliche Geschichte, die ihr den Weg in den Palast bahnen sollte, mit der sie vielleicht sogar den Namen ihres Vaters ebenso wie ihren eigenen reinwaschen konnte.
» Der Drache hat mich mitgenommen, doch ich habe ihn getötet«, hörte sie sich sagen, als sei es eine Fremde, die das tatsächlich getan hatte, während sie selbst in Burg Ruath gefangen gewesen war.
Nun war es heraus. Bher hob den Kopf. Ungläubige Freude leuchtete in seinen Augen auf. » Du hast einen Drachen getötet?«
» Ja«, sagte Linn. Sie starrte beschämt auf die Tischplatte und wünschte sich, sie hätte wenigstens ihren Freunden, die ihr wie eine Familie waren, die Wahrheit sagen können. Bher verdiente es nicht, dass sie ihn belog. Auch Mora nicht. Ich selbst, dachte sie, verdiene es ebenso wenig, eine Lügnerin zu sein. Aber vielleicht muss ich das sein, eine gemeine Lügnerin, bevor ich werden kann, was Nat Kyah mir auferlegt hat: eine Diebin.
» Unser Fräulein ist großartig!«, jubelte Dorago. » Erzähl! Wie hast du das gemacht? Wir wollen alles wissen, jede Einzelheit!«
Selbst Bher beugte sich begierig vor. » Hast du ihn erledigt, mit dem Schwert? Ins Herz, mitten ins Herz?«
» Ja«, sagte Linn und ertrug es kaum, ihn anzusehen.
» Dann wird Pivellius gewiss ein Einsehen haben«, meinte Bher. » Oh, er wird dich begnadigen müssen! Eine Drachenjägerin, in meinem Haus! Bring den Wein her, Frau, unseren feinsten und besten, lasst uns darauf anstoßen!«
In wilder Fröhlichkeit füllten sie die Becher und tranken auf die glorreiche Rückkehr von Bhers junger Schülerin. Linn nippte nur kurz an der dunkelroten Flüssigkeit und dachte dabei an das Blut, das aus Nat Kyahs Wunde geflossen war. Sie hatte ihn nicht getötet. Nicht einmal angekratzt – das hatte er selbst erledigt.
Ich bin verdammt, wollte sie sagen. Ich habe nicht gesiegt, ich habe gespielt und verloren. Bitternis erfüllt meinen Mund.
Doch sie konnte die Freude der anderen nicht trüben. Lächelte, wenn man sie ansah. Einen Abend lang wenigstens wollte sie es genießen, wieder zu Hause zu sein, wollte all die schweren Gedanken abwerfen. Sie trank ihren Becher leer und versuchte zu lachen, versuchte aufzugehen im Lärm und in der Fröhlichkeit. Sie erzählte von dem bernsteinfarbenen Drachen und seiner dunklen Höhle, wie sie sich angeschlichen und ihn erstochen hatte.
» Es war gar nicht schwer«, prahlte sie, » ich musste nur leise sein, und meine Hand durfte nicht zittern. Er hatte keine Ahnung, dass ich dieses lange Messer an meinem Gürtel trug. Er hat geschlafen wie ein Stein und geschnarcht!« Sie breitete die Arme aus, in ihren Erzählungen wurde der Drache immer größer, immer farbenprächtiger, immer dümmer.
Die Männer webten eifrig mit an dieser Geschichte, die wie ein Lied aus alten Zeiten klang.
» Komm! Trink mit uns!«, rief Bher. » Sie ist wieder da!«
Linn drehte sich um.
Da stand Nival, bleich wie die Wand.
22
Nival kam Linn sogar noch dünner und blasser vor als früher, ein Gespenst seiner selbst. Sein strohblondes Haar stand struppig nach allen Seiten ab; gerade erst hatte er seine Schreibermütze abgenommen und hielt sie noch in der Hand.
» Komm, Junge!«, rief Lireck. » Stoß mit uns an!«
Nival reagierte nicht darauf. Er starrte Linn an, als sei sie eine Erscheinung. Dann drehte er sich um und verschwand, ohne auch nur einen Fuß ins Esszimmer zu setzen.
» Das ist ein Schock für ihn«, erklärte Bher fröhlich. » Er hat dein Zimmer bezogen, Linnia, nun muss er es wohl wieder räumen. Oder … oder wirst du im Schloss wohnen, wenn der König dich begnadigt?« Diese Möglichkeit fiel ihm erst jetzt ein und entsetzte ihn zutiefst. » Du wirst uns verlassen?«
» Langsam, langsam«, lachte Linn, aber in Gedanken war sie schon ganz woanders, » ich würde natürlich lieber hierbleiben, wenn möglich. Morgen, wenn ich hoch zum Schloss gehe, werden wir sehen, wie weit die Gnade des Königs reicht.« Sie schob ihren Stuhl zurück. » Ich sollte jetzt schlafen, ich habe einen langen Weg hinter mir. Ihr entschuldigt mich?«
» Du entschuldigst uns, hoffe ich, dass wir noch ein bisschen länger auf dich anstoßen!«, rief Roban.
» Bitte sehr.« Sie
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