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Die Drachenjägerin 1 - Winter, M: Drachenjägerin 1

Die Drachenjägerin 1 - Winter, M: Drachenjägerin 1

Titel: Die Drachenjägerin 1 - Winter, M: Drachenjägerin 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Winter
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verschwenderischen Farbrausch, ergriff er das Mädchen und stürzte sich erneut in den Himmel.
    Die Landschaft unter ihnen lag in absoluter Finsternis. Es schien kein Mond, und sie sah nur die Lichter einiger kleinerer Städte; Laternen in den Straßen, beleuchtete Kutschen, die über die nächtlichen Wege zockelten. Der Drache hatte seine Tatzen so weit geöffnet, dass der Wind hereinpfiff; Linn war dermaßen kalt, dass ihre Zähne klapperten und sie dankbar war, dass er sie festhielt, ohne dass sie sich an ihm festklammern musste – bei dieser Kälte wäre sie zweifellos nicht mehr dazu fähig gewesen.
    » Aufwachen.« Ein warmer Wind pustete über ihr Gesicht.
    Sie blinzelte. » Ich habe geschlafen?«
    Die Hitze aus dem Maul des Drachen wehte sie an. » Sieht ganz so aus. Meine Güte, sind die Menschen schwach und empfindlich! Wir sind da.«
    » In Lanhannat?« Sie setzte sich auf, Freude durchfuhr sie heiß, doch von der Stadt war nichts zu sehen. In der Morgendämmerung sah sie das Gerin-Yan-Gebirge in die Wolken ragen. Sie befanden sich in einem von dornigem Gestrüpp überwucherten Tal. Frost zierte die Gräser und Zweige, jeder Dorn schimmerte wie ein weißer Drachenzahn. Ein Bach, der Hochwasser führte, rauschte wild schäumend hindurch.
    » Es ist nicht mehr weit. Wenn du den Wildpfad erreicht hast, der dich hier herausführt, müsstest du das Schloss noch vor Mittag sehen. Näher heranbringen kann ich dich nicht. Wenn man mich bemerkt, wird deine Geschichte extrem unglaubwürdig, liebe Linnia.«
    » Ich schaffe das schon.« Er sollte endlich verschwinden. Die Sehnsucht nach der Stadt stieg mit unbändiger Macht in ihr auf, und sie konnte gar nicht schnell genug loslaufen. Meine zweite Familie. Mora und Bher und die Alten, die Affendrossel und der Affe von Lanhannat …
    » Du wirst herkommen und mir Bericht erstatten«, verlangte Nat Kyah, » und mir bringen, was du erbeutet hast. Jetzt haben wir Neumond. Beim übernächsten Vollmond will ich dich hier treffen. Und wehe, du kommst mit leeren Händen.«
    » Ich werde Euch nicht enttäuschen.«
    » Nun, das hoffe ich sehr.« Der Drache ließ sich geräuschvoll nieder. Die überfrorenen Sträucher brachen knisternd, während er sich Platz schuf. Weder die langen Dornen noch der Frost machten ihm etwas aus. » Geh«, befahl er, und sie ging.
    Schon nach wenigen Yags war ihr Kleid zerrissen, waren ihre Beine zerkratzt. Erleichtert atmete Linn auf, als sie den Pfad erreichte, von dem der Drache gesprochen hatte. Steil führte er sie aus dem Tal heraus. Sie war die Anstrengung des Wanderns kaum noch gewohnt, doch davon wurde ihr wenigstens etwas wärmer. Als sie den Kamm erreicht hatte, drehte sie sich um. Licht flutete ins überfrorene Tal und verwandelte es in eine Schale aus Kristall, in der wie eine Figur aus Bernstein der Drache lag. Sein Anblick war so schön, dass sie hätte weinen können – wenn sie ihn nicht besser gekannt hätte, als ihr lieb war.
    » Los, flieg davon, du Scheusal«, murmelte sie. » Verschwinde aus Schenn, verschwinde aus meinem Leben.«
    Sie wünschte sich nichts mehr, als ihn einfach hinter sich zu lassen. Doch auch als sie ihn nicht mehr sehen konnte, als sich hinter der Wegbiegung ein atemberaubender Ausblick auf das helle Schloss auf dem Hügel bot – die Stadt war noch von den umliegenden Hügeln verdeckt –, wusste sie, dass sie Nat Kyah mit sich trug wie ein Gift in ihren Adern, das unweigerlich zu ihrem Tod führen würde.
    Der Drache hatte die Geschwindigkeit eines Menschen überschätzt. Am späten Nachmittag erreichte Linn das Stadttor. Sie wusste, dass sie eigentlich erst im Schloss vorsprechen musste, um die Aufhebung der Verbannung zu erwirken, aber in diesem zerrissenen Kleid, halb erfroren und hundemüde, wollte sie nur nach Hause. Um nicht erkannt zu werden, schlang sie sich das schwarze Tuch um den Kopf und senkte den Blick. Tatsächlich war an ihr wohl so wenig von der Linnia, die hier immer mit dem Pastetenkorb hindurchgeschritten war, in der ordentlichen Erscheinung eines Dienstmädchens aus besserem Hause, dass die Wachen ihr keine Aufmerksamkeit schenkten.
    Dafür sprach eine in Lumpen gehüllte Frau sie an, feindselig: » Das ist meine Straße!«
    » Keine Sorge, ich bin gleich wieder weg.«
    Es konnte ihr nicht einmal peinlich sein, dass sie für eine Bettlerin gehalten wurde, obwohl sie doch die erfolgreiche Drachentöterin darstellen wollte. Nur nach Hause. Sie bahnte sich ihren Weg durch die Straßen.

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