Die Drachenjägerin 1 - Winter, M: Drachenjägerin 1
herangeritten, und in seiner ausgestreckten Hand glitzerte die Kette der Königin.
» Hier!«, rief er. » Der grüne Stein! Aber lasst Linnia am Leben, Herr Drache.«
» Jikesch!«, rief sie, doch da war er schon neben ihr – das Pferd machte sich schleunigst aus dem Staub – und kniete vor dem Drachen nieder.
» Hier ist, was Ihr Euch wünscht.«
Es war die Kette, die Linn auf dem Bild gesehen hatte. Feine goldene Glieder, die in einer kunstvollen Verzierung endeten, wo sie einen großen grünen Anhänger einfassten. Das Grün des Steins hatte einen ganz besonderen, golddurchwirkten Glanz.
Rauch stieg aus Nat Kyahs Nüstern auf. » Das«, murmelte er, » das ist … Es sieht aus wie Dairans Schuppenkleid. Dieser Hauch von Gold …«
Er war ein Mörder und ein Verräter. Und jetzt hatte er obendrein den Stein der Macht zu seinen Füßen liegen.
» Ach, Jikesch«, flüsterte Linn untröstlich. Sie warf ihrem Freund einen verzweifelten Blick zu. » Bei Arajas, was tust du hier? Woher wusstest du, dass ich hier bin? Wie bist du aus der Stadt herausgekommen? Du hättest ihm niemals den Stein bringen dürfen. Willst du die ganze Welt in den Untergang ziehen?«
» Ja«, sagte Jikesch leise. » Was kümmert mich die Welt?«
Der Drache starrte sie alle an. Als hätten sie zu dritt eine Audienz bei ihm: Linn, der Mann mit der goldenen Mütze und die Kette, die Jikesch in den Schnee legte.
» Nehmt meine Gabe an. Und im Gegenzug lasst sie frei.«
» Ich spüre nichts«, murmelte Nat Kyah und beäugte erst das Schmuckstück, dann die beiden Menschen. » Die Macht müsste so stark sein, dass sie mich blendet. Mit dieser Macht kann ich sie alle in den Staub zwingen … der Stein ist der Schlüssel … Ich hatte erwartet, dass er eine Aura hat, die keinerlei Zweifel zulässt. Ist sie verborgen? Natürlich, sie muss versteckt worden sein, sonst hätte die Alte den Stein längst gefunden …« Dann hob der Drache den Kopf, riss das Maul auf, senkte den Schädel und spie einen gewaltigen Feuerstoß aus.
Linn und Jikesch sprangen erschrocken zurück, als die Flamme direkt vor ihnen den Schnee schmolz.
Hitze wie aus einem Ofen warf sie nach hinten. Trotzdem konnte Linn den Blick nicht abwenden, als Nat Kyah die Kette, nach der er verlangt hatte, zerstörte. Die feinen goldenen Glieder zerflossen. Der grüne Stein wurde dunkler und dunkler – und dann auf einmal heller, so hell, dass das Hinsehen schmerzte, bis er verging vor ihren Augen.
» Wo ist seine Macht?«, brüllte Nat Kyah. » Wie kann er schmelzen? Was habt ihr mir da gebracht?«
» Es ist … nicht der richtige?«, frage Linn, und in ihren Schrecken mischte sich Erleichterung.
» Eine Fälschung.« Der Drache hörte sich verwundert an. Er schrie nicht mehr, doch in seiner Ruhe schwang ein gefährlicher Unterton mit. » Sie wirkte so echt – die muss ein Meister hergestellt haben, der genau wusste, wie die echte Schuppe aussieht. Ein Kunstwerk, in der Tat.«
» Komm, schnell!« Jikesch zog Linn am Arm. Gleich würde das Ungeheuer lostoben. Und vor seinem Feuer gab es keine Rettung. Sie wusste das, dennoch stolperte sie nur unwillig mit dem Narren fort.
Mit der einen Hand umklammerte sie immer noch das Schwert. » Nein, ich muss …«
» Verräter!«
Jikesch sank auf die Knie, als ihn ein Schwerthieb traf, der aus dem Nichts zu kommen schien.
Prinz Arian sprang zwischen sie. Linn parierte den nächsten Hieb, ohne nachzudenken. » Hört auf!«, schrie sie. » Was wollt Ihr hier!«
» Verräterin!«, kreischte der Prinz. » Ihr dient dem Drachen, wie schon Euer Vater vor Euch. Ihr bringt ihm Gaben!«
Keuchend umkreiste er sie, während der Narr stöhnend versuchte fortzukriechen. Er war an der Schulter getroffen, Blut strömte aus einer Wunde an seinem Hals. Wütend hieb Linn nach dem Prinzen. Sie erwischte ihn nicht, aber er torkelte zur Seite, was ihn gefährlich nah an Jikesch heranbrachte.
» Verräterin!«, heulte er. » Wollt Ihr uns in einen Krieg mit Tijoa hineintreiben, indem Ihr seinen Botschafter umbringt?«
» Das ist völlig absurd!«, schrie sie zurück, und gleichzeitig bemerkte sie den Fieberglanz in Arians Augen. Er hielt sich den Bauch und krümmte sich.
» Ihr seid krank«, sagte sie besänftigend. » Bitte, Hoheit, beruhigt Euch.«
» Erst versucht Ihr, mich umzubringen! Dann schickt Ihr Euren kleinen Freund los, um uns zu berauben! Ich habe es genau gesehen!« Er versetzte dem Narren, der sich gerade aufrichten wollte, einen
Weitere Kostenlose Bücher