Die Drachenjägerin 1 - Winter, M: Drachenjägerin 1
in der Ferne, sondern hier, direkt vor unseren Augen.«
Es war fast wie das Hohe Spiel. Ein Handel, den sie alle zusammen eingingen. Es fühlte sich an, als wären sie alle zusammen in einem magischen Netz gefangen.
Der Prinz war dabei gewesen, als Linn einen Drachen getötet hatte. Dagegen wurde alles andere unwichtig. Die Kette und die Pasteten und sogar der verräterische Narr.
» Gebt Fräulein Linnia ihren Namen zurück«, beharrte Okanion. » Wir brauchen sie in der Garde.«
» Genügt es nicht, wenn sie am Leben bleibt, obwohl sie einen Anschlag auf meinen Vater und unsere ausländischen Gäste verübt hat? Was soll sie denn noch alles kriegen – Gold und Ehre, Güter und Ländereien?«
» Darauf verzichte ich«, sagte Linn. » Gebt mir nur meinen Namen zurück.«
» Einer Harlon? Einer Verräterin und Giftmischerin? Nie im Leben!«
Der vernarbte Ritter verhandelte zäh. » Seht Ihr nicht endlich ein, dass sie Euch nicht vergiftet hat? Oder würdet Ihr sonst noch leben, während dort drüben ein toter Drache liegt? Ich will sie in der Garde!«
Aber Linn wollte noch mehr. Die Garde. Ihren Namen. Und – ein Wunder.
» Euer Drache, Prinz Arian«, sagte sie. » Wenn Ihr es wünscht, ist das hier der erste von Euch getötete Drache. Dann wärt Ihr endlich Brahans würdiger Nachkomme.«
Arian riss die Augen auf; die Krankheit schien ihn auf einen Schlag zu verlassen. » Meiner? Mein Drache? Das würdet Ihr aussagen?«
» Oh ja, das würde ich.«
Das halbe Königreich. Das war es, was sie ihm anbot, und das konnte er nicht ausschlagen. Niemand hätte das gekonnt.
» Dann ist sie also in der Garde«, sagte er zu Okanion. » Ich bin sicher, das kriegen wir hin.«
» Wartet«, sagte Linn. » Dafür bekomme ich noch etwas.«
» Was?« Ungeduldig starrte er sie an.
» Kein Wort über Jikesch. Das ist meine Bedingung. Ihr vergesst, was er getan hat. Stattdessen sagt Ihr Eurem Vater, Ihr hättet die Kette selbst genommen – um den Drachen anzulocken.«
Prinz Arian kippte vor Entsetzen fast um, aber die Aussicht auf das halbe Königreich wirkte zuverlässiger als jede Medizin.
» Vergesst nicht, ihm noch etwas mitzuteilen«, fuhr Linn fort. » Dies war der Drache, der Königin Irana tötete.«
28
» Solltest du morgen zu den Feierlichkeiten nicht ein hübsches Kleid anziehen?«, fragte Mora. Sie saß in ihrem Bett, an ein dickes Kissen gelehnt. Immer noch hustete sie viel zu oft, und ihr Bein wollte nicht recht zusammenwachsen, aber inzwischen hatte sie sich so weit erholt, dass sie wieder ungefragt Ratschläge erteilen konnte. Sie sah kleiner und älter aus als vorher; Bhers Tod hatte sie schwer getroffen. Dagegen konnten auch die magischen Salben nichts ausrichten.
» Mit Samt und Seide und Spitze«, schwärmte sie. » In Grün – das würde dir gut stehen.«
» Bleibt mir weg mit Grün«, murmelte Linn. » Ich finde, dieser schlichte Waffenrock ist genau richtig. Schwarz, passend zu den Stiefeln.« Sie drehte sich und klopfte unsichtbaren Staub aus den perfekt fallenden Stofffalten.
» Nimm doch wenigstens diese Maske ab. Sie ist bedeckt von geronnenem schwarzem Blut.«
» Drachenblut«, sagte Linn fröhlich. » Damit werde ich am Königshof Eindruck schinden, wetten?«
Mora grummelte unzufrieden.
» Ich wollte dir nur zeigen, wie ich aussehe. Morgen früh muss ich zeitig los.«
» Ein junges Mädchen wie du sollte so viel wie möglich aus sich herausholen«, fand Mora und schüttelte den Kopf. » Ganz in Schwarz … was soll das denn? Du könntest dir wenigstens ein paar bunte Bänder ins Haar flechten. Dann kannst du einem netten jungen Mann am Hof ein Band schenken.«
» Bestimmt nicht. Am Hof gibt es keine netten jungen Männer. Außerdem ist mir nicht mehr nach bunten Bändern.« Sie drehte sich zu Mora um. » Danke – für alles. Wenn ich ab morgen bei den Gardisten wohne, werde ich das hier vermissen. Das Alte Viertel. Euch. All das, was wir hier zusammen hatten.« Linn brachte es nicht über sich, Bher zu erwähnen. Sie waren beide noch nicht bereit, über diesen Verlust zu sprechen. Seit Nat Kyahs Tod hatte sie hier bei Mora in Nivals Haus gewohnt – er übernachtete natürlich anstandshalber oben im Schloss, und sie hatte ihn so gut wie gar nicht mehr gesehen – und sich um die Kranke gekümmert.
Die ältere Frau verzog das Gesicht. » Was würde ich dafür geben, dabei zu sein. Ich bin so stolz auf dich. Wenn ich könnte, würde ich hundert Körbe voll Pasteten für das
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