Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes
Krieger vor dem Feind, und senke niemals den Blick. Und jetzt geh.«
Nihal stand auf und machte die ersten Schritte auf den Drachen zu.
Sie dachte, Oarf würde sich so ähnlich wie Vesa verhalten, das heißt, sie zunächst eine Weile schief anblicken, sie schließlich aber doch an sich heranlassen. Doch sie irrte sich. Sie war noch kaum näher gekommen, als Oarf schon begann, mit den Vorderpranken bedrohlich in ihre Richtung auszuschlagen.
Nihal verharrte.
Und Oarf knurrte sie böse an.
Ein-, zwei-, ja ein Dutzend Mal versuchte sie es, doch der Drache wurde nur immer aggressiver: Sein Schwanz fegte nervös über den Erdboden, und seine Nüstern bebten. Bei ihrem letzten Versuch stellte er sich brüllend auf die Hinterbeine und machte Anstalten, sich auf sie zu stürzen.
Wutentbrannt trat Nihal den Rückzug an. Warte, dir werd ich’s zeigen. Sie erreichte den Rand der Kampfbahn, drehte sich dort wieder zu Oarf um, holte tief Luft und rannte dann schreiend auf das Tier zu.
»Halt! So erreichst du nichts. Einem Drachen kannst du deinen Willen nicht aufzwingen!«
Stolpernd brach Nihal ihren Lauf ab. Sie wusste nicht mehr ein noch aus. »Was soll ich denn noch tun? Versteh doch, ich brauche ihn unbedingt!« »Du brauchst ihn nicht. Er soll doch dein Gefährte, dein Verbündeter werden. Also musst du versuchen, mit ihm in Verbindung zu treten, musst verstehen lernen, was er fühlt. Konzentrier dich.«
Und so griff Nihal nun auf ihre lange brach liegenden magischen Fähigkeiten zurück. Letztendlich war auch dieser Drache ein Kind der Natur, und mit dieser hatte sie doch vor Jahren bereits ein Bündnis geschlossen.
Sie atmete tief durch. Alles ist eins, und eins ist alles. Sie schloss die Augen. Alles ist eins, und eins ist alles. Sie konzentrierte sich. Alles ist eins, und eins ist. . .
Wie eine Flutwelle überrollten sie die Gefühle des Drachen, Angst, Hass, Leid, Verachtung trafen sie mit der Gewalt eines Faustschlags. Sie wankte.
Im letzten Moment, bevor sie zu Boden fiel, packte Ido sie am Arm. »Spürst du ihn schon?«
»Ja ..., ich ... ich glaube, ja. Man hat mich ein wenig Magie gelehrt ...«
»Gut. Das wird dir von großem Nutzen sein. Mach nur weiter. Versuch, ihm Vertrauen einzuflößen.«
Nihal rappelte sich auf und öffnete sich erneut Oarfs Gefühlen.
Sie spürte, dass die Wut des Tieres eben jene war, die auch sie selbst in sich trug. Oarfs Schmerz war auch ihr eigener.
Aber eine Verbindung wollte sich nicht herstellen, Oarf reagierte nur mit Feindseligkeit, Furcht, Misstrauen. Sie trat noch näher an ihn heran, und das Brüllen des Tiere hallte im ganzen Lager wider, doch die Hände geöffnet vor den Körper haltend, rückte Nihal immer weiter vor. Ich bin mit dir. Ich bin wie du.
Mit einem Male sprang der Gnom auf und lief auf sie zu. »Nihal!«
Doch Nihal hörte ihn nicht. Auch ich habe alles verloren. Ich bin wie du.
Oarf riss den Rachen auf.
Da warf sich Ido auf Nihal und stieß sie zur Seite.
Und schon zischte der Feueratem des Drachen über ihre Köpfe hinweg. »Wo hast du deinen Verstand, Mädchen? Mit ihm in Verbindung treten heißt doch nicht, dich von allem anderen zu isolieren. Du musst die ganze Situation unter Kontrolle haben.«
Ido stand auf, schüttelte sich den Staub von den Kleidern und reichte Nihal die Hand. »Probier es noch einmal.«
Nihal machte einen erneuten Versuch, dann noch einen, und wieder einen, doch das Tier antwortete mit reiner Aggression, ohne sich in irgendeiner Weise für das Mädchen zu öffnen. Währenddessen gab Ido ihr Ratschläge, spornte sie an, nicht nachzulassen. Und Nihal gab nicht auf.
Den ganzen Nachmittag verbrachten sie auf diese Weise, während sich in der Arena Ritter, Knappen und Soldaten versammelten, die dieses Aufeinandertreffen zwischen dem kriegerischen Mädchen und dem herrenlosen Drachen neugierig gemacht hatte. Als Nihal wieder einmal Oarfs Feueratem nur knapp entgangen war, wandte sich ein jüngerer Ritter an den Gnom: »Ido, du übertreibst. Glaubst du nicht, du solltest dem Drama ein Ende machen?«
Ido sah ihn gleichmütig an. »Warum sollte ich? Da mussten wir doch zu Anfang alle durch.«
»Aber Oarf war Dhuvals Drache. Wie soll dieses kleine Mädchen das schaffen?«, mischte sich ein anderer Ritter ein.
»Du setzt mich in Erstaunen. Weißt du denn nicht, dass ein Drache niemandem gehört? Zudem kannst du mir glauben: Die da ist alles andere als ein kleines Mädchen « Erschöpft, verdreckt und voller blauer Flecke,
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