Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes
Fen habe der Zauberin auch eine vertrauliche Botschaft zukommen lassen wollen. Träume lügen tatsächlich, sagte sie sich.
»Heute Nacht ist es so weit. Sennar, du weißt, was du zu tun hast.«
Sein ganzes Leben lang hatte sich der Zauberer immer mal wieder vorgestellt, wie er durch Heldentaten die Aufgetauchte Welt vom Joch des Tyrannen befreien würde, doch nun war ihm dabei viel mulmiger zumute, als er geglaubt hätte.
Doch nach einigem Zögern fasste er sich ein Herz und schwang sich in den Sattel. »Sennar!« Nihal stand nur wenig entfernt. Zum ersten Mal seit Tagen lächelte sie. »Viel Glück! Und pass auf dich auf!«
Sennar zwinkerte ihr zu. »Das wird doch ein Spaziergang«, entgegnete er und entfernte sich.
Das Warten war alles andere als angenehm. Nihal quälte die Vorstellung, der Freund könne vielleicht nicht lebend zurückkehren, und es wäre ihr unerträglich gewesen, einen weiteren lieben Menschen zu verlieren. So saß sie den ganzen Tag grübelnd, besorgt und angespannt da.
Phos versuchte, sie auf andere Gedanken zu bringen. »Komm schon. Denk doch mal daran, dass wir bald hier wegkommen. Ich jedenfalls kann es gar nicht erwarten, ins Land des Wassers zu gelangen. Flüsse, endlose Wälder, andere Kobolde, Frieden ...« Doch Nihal hatte kein Ohr für ihn, knabberte weiter an ihren Fingernägeln herum oder spielte nervös mit ihrem Schwert.
Vom Lager war kein Laut zu vernehmen, und das war ein gutes Zeichen. Denn wäre Sennar enttarnt worden, hätte es sicher Verwirrung gegeben.
Dann brach die Nacht herein.
Mit Fen war ausgemacht, dass sie sich im Morgengrauen jenseits des Lagers am Großen Fluss treffen würden. Die Kobolde flogen auf, und zwar so hoch, dass der Lichtschein, den sie ausstrahlten, kaum zu sehen war. Auch Soana und Nihal machten sich auf den Weg.
Als sie den Eingang des Lagers erreicht hatten, ließ Soana einen kleinen Blitz aufzucken: Es war das mit Sennar abgesprochene Zeichen, und mit klopfendem Herzen warteten sie auf eine Reaktion. Eine Ewigkeit schien Nihal zu vergehen, dann schlüpfte der Zauberer endlich heil und wohlbehalten aus einem der Zelte. Am liebsten wäre sie ihm entgegengelaufen, um ihn zu umarmen, doch sie flüsterte nur:
»Schlafen sie alle?«
»Ich denke schon. Es hat länger gedauert als gedacht, dieses Lager ist verdammt groß. Dafür habe ich mich aber auch mit ein paar nützlichen Dingen versorgen können ...« Unter seinem Gewand zog er zwei lange Schwerter hervor, eins für sich und eins für Soana.
Obwohl alle schliefen, schlichen sie so lautlos wie möglich durchs Gras. Jetzt sah Nihal die verhassten Fammin wieder: Tief schlafend lagen sie um ein heruntergebranntes Lagerfeuer herum. Unter ihnen auch viele Männer und einige Gnomen. Alle schliefen friedlich, in den Händen noch Becher mit Obstwein, die Münder zu einem lauten Schnarchen aufgerissen. Sie hatten es sich gut gehen lassen: Diese Bestien hatten den Tod Tausender Unschuldiger aus dem Land des Windes gefeiert.
Nihal überkam das unbändige Verlangen, dieses Lager niederzubrennen und die ganze Brut in den Flammen umkommen zu lassen, doch ein Gedanke hielt sie davon ab: Noch nicht. Es eilt nicht. Alles zu seiner Zeit.
Das Lager schien kein Ende nehmen zu wollen. Ganz langsam schlichen sie sich hindurch, bis endlich der letzte Posten in Sicht kam. Noch dieses letzte Hindernis: dann Fen, und die Rettung. Nihal fand sogar Zeit für den Gedanken, dass sie richtig aufgeregt war, weil sie jetzt den Ritter nach all den schlimmen Ereignissen zum ersten Mal wiedersehen würde.
»Verfluchter Zauberer! Verräter!«
Ein Schrei zerriss die Stille der Nacht.
Aus dem Dunkel tauchten zwei Fammin auf. Sie waren noch ein gutes Stück entfernt, kamen aber rasch näher.
»Warum hast du denn nicht alle eingeschläfert?«, schrie Nihal.
Im Bruchteil einer Sekunde erfasste das Mädchen die Situation: Es hatte keinen Sinn, sich zu verstecken,- die einzige Möglichkeit war, sie zu verwirren. Sie zog ihr Schwert und stürmte den Feinden entgegen.
Auch die beiden Fammin rannten auf sie zu, doch Nihal ließ sich nicht einschüchtern: So schnell es ihre Verletzung erlaubte, hastete sie weiter, und erst im letzten Moment, als der eine schon sein Schwert niederfahren ließ, duckte sie sich weg und durchbohrte ihn mit einem Stoß von unten.
Der zweite ließ sich nicht überraschen. Nach einigen Paraden musste Nihal zurückzuweichen. Die wenigen Kräfte, die sie hatte frei machen können, begannen bereits sie
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