Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes
gedacht hatte. General Raven verweigerte ihm beharrlich eine Besuchserlaubnis, und so beschloss Sennar irgendwann nach unendlich langem Warten und einer ganzen Reihe fruchtloser Unterredungen, seinen Meister um Hilfe zu bitten.
Dagon lag zwar daran, die politische und die militärische Macht streng voneinander getrennt zu halten, doch Sennar war ihm ans Herz gewachsen, und er wusste, wie wichtig es ihm war, Nihal wiederzusehen.
Und so suchte der Ratsälteste eines Morgens in Begleitung seines Schülers General Raven auf. »Wie ich hörte, hat das Mädchen seit ihrem Eintritt die Akademie noch kein einziges Mal verlassen. Glaubst du nicht, es ist an der Zeit, sie das Tageslicht sehen zu lassen?«
Der General ging nicht darauf ein und verbat sich empört diese Einmischung in seinen Kompetenzbereich.
»Raven, dieses Mädchen ist sehr wichtig: Sie ist die einzige Oberlebende des Volkes der Halbelfen, und Rais sah damals schon etwas ganz Bedeutendes in ihrem Schicksal. Sie ist so etwas wie eine Waffe für uns. Und mit deinen Waffen gehst du doch auch pfleglich um, nicht wahr?«
Die Audienz zog sich hin, doch Dagon hatte Geduld.
Nach einigen Stunden Verhandlung gab Raven endlich nach und öffnete die Tore der Akademie für dieses verfluchte Mädchen, das wieder einmal das bessere Ende für sich hatte.
Als Nihal ihm auf dem Vorplatz der Akademie entgegenkam, hätte Sennar sie beinahe nicht wiedererkannt: Abgemagert, in die sackartige Schüleruniform gehüllt, marschierte sie entschlossen, in militärisch anmutendem Schritt auf ihn zu. Sennar wünschte sich nichts sehnlicher, als dass seine Freundin ihren Schmerz überwunden hätte und wieder das Mädchen von früher wäre. Und als sie vor ihm stand, lächelte er sie gerührt an und machte Anstalten, sie in den Arm zu nehmen. Doch Nihal wich zurück und entzog sich seiner Berührung.
»Was willst du?«
Sennar starrte sie verwirrt an. »Wie, wieso fragst du...? Ich komme dich besuchen ...« »Du hast gesagt, du würdest jeden Monat kommen. Das hattest du mir versprochen.« »Ich weiß, aber ich hätte nicht gedacht, dass es so schwierig ist. Ich habe keine ...« »Auch für mich war es hart. Damit du es weißt. Aber mehr habe ich dir nicht zu sagen.« Nihal wandte sich zum Gehen, doch Sennar hielt sie am Arm fest und ließ sie nicht fort. Sie riss sich los und herrschte ihn plötzlich mit Tränen in den Augen an: »Du hast ja keine Ahnung, wie die letzten Monate hier drinnen für mich waren! Wie einsam ich war, wie verlassen ich mir vorkam. Was ich nicht alles gedacht habe! Dass du tot bist, dass du in fernste, unerreichbare Weiten aufgebrochen bist, dass du mich einfach vergessen hast!« Sennar drückte sie an sich. »Verzeih mir.«
Sie wand sich, doch die Arme des Zauberers ließen sie nicht los.
»Verzeih mir. Jetzt bin ich ja bei dir.« Erst jetzt gab sich Nihal der Umarmung des Freundes hin. »Ich hasse dich«, flüsterte sie. »Du hast mir so gefehlt.«
Als sie ihr Kämmerchen betraten, schämte sich Sennar, dass er Nihal, seine Nihal, unter solch unwürdigen Bedingungen allein zurück gelassen hatte.
Sie machten es sich, so gut es ging, bequem. Denn sie hatten sich ja so viel zu erzählen. »Wie gerne hätte ich dich gleich zu Anfang, nach einem Monat, besucht«, begann Sennar, «aber ich war unablässig auf Trab. Hier in Makrat blieb mir gerade mal die Zeit, an den Versammlungen des Rates teilzunehmen, dann musste ich gleich wieder zurück an die Front, denn im Land des Windes wird die Situation immer dramatischer.« Nihal wollte eigentlich gar nichts darüber hören. Sie hätte lieber nicht gewusst, was aus dem einst blühenden Land, ihrer Heimat, geworden war.
Doch Sennar schonte sie nicht und begann zu erzählen: »Am ersten Tag traute ich meinen Augen nicht. Es wollte mir nicht in den Kopf, dass jene trostlose Gegend unser Land des Windes sein sollte. Es tat so weh, und ich wollte sogleich wieder fort. Doch Dagon stand mir bei. Ich fühlte mich wieder wie in meiner Kindheit: Krieg, Verödung, der Tod als ständiger Begleiter, Verzweiflung. Es war, als sei ich um Jahre zurückversetzt worden und wieder genauso wehrlos und verlassen wie damals. Aber am schlimmsten war die Erinnerung daran, wie dieses Land einmal war. Die frische Morgenluft, das Leben, von dem die Turmstädte erfüllt waren ... Diese Sonnenuntergänge ... weißt du noch?«
Und ob sie noch wusste. »Ja, sie waren magisch. Eine leichte Brise erhob sich, die Sonne tauchte ein ins Gras der
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