Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht
Schönheit. Naiv, wie ich war, glaubte ich, auch er liebe mich, und schenkte ihm mein Herz. Ich hatte nur noch einen Wunsch, ihm zu gefallen und mitzuerleben, wie seine Träume Wirklichkeit wurden. Daher setzte ich mich bei meinem Vater für ihn ein, damit dieser ihm bei seinem Aufstieg helfe. Das war ein Fehler, aber ich brauchte lange, um dies zu begreifen. Zu lange. Und als es geschah, war es bereits zu spät.«
Ido spürte, wie sich sein Magen verkrampfte. Er wollte nicht glauben, was sein Verstand ihm nahelegte. »Warum war das ein Fehler? Und wer ist Aster?« »Aster gibt es nicht mehr«, raunte die Greisin, »heute gibt es nur noch den Tyrannen.« Ido erstarrte und schwieg.
»Mein Vater war es, der mir irgendwann die Augen öffnete«, fuhr Rais fort. »Da erkannte ich das ganze Grauen, das vom Schleier seiner samtenen Haut verhüllt wurde, sah, dass sich hinter Asters engelhaften Zügen ein Ungeheuer verbarg. Es brach mir das Herz, aber die Worte meines Vaters halfen mir, mich von einem Joch zu befreien. Als ich die Wahrheit erfuhr, als ich begriff, dass ich getäuscht und für die Zwecke des Bösen missbraucht worden war, sagte ich mich von Aster los und schleuderte ihm meinen ganzen Hass ins Gesicht: Weil nichts Echtes an seiner Liebe war, weil er mich dazu benutzt hatte, seine Macht auszubauen. Und ich war so töricht und leichtgläubig gewesen, auf seine schönen Worte und Umarmungen hereinzufallen. Dass ich dann von ihm floh und diese unreine Liebe zurückwies, reichte nicht aus, die Schuldgefühle aus meinem Herzen zu vertreiben, Schuldgefühle, die mich dazu brachten, meine Schönheit zu hassen, ebenjene Schönheit, die diesen Mann betört hatte.« Der Rauch löste sich auf, während der Greisin immer noch Tränen über die eingefallenen Wangen liefen. Wie betäubt durch diese Enthüllungen, wartete Ido auf das Ende der Geschichte.
»Doch das Ungeheuer vergaß mich nicht. Es ließ mich gefangen nehmen und auf seine Festung bringen.«
Die imposanten Umrisse der Feste zeichneten sich im Rauch ab und schienen jedes andere Bild zu verschlucken.
»In Ketten schleifte man mich zu ihm. Nun, da er mich nicht mehr brauchte, um seine gierigen Hände nach der Welt auszustrecken, verlangte er nach meiner Schönheit, meinem Körper. So begann der Verfall, den du jetzt vor Augen hast. Denn meine Schönheit schwand, weil dies mein innigster Wunsch war. Langsam begann ich zu altern: Falten durchfurchten mein Gesicht, meine Haut wurde welk und hing bald schlaff wie ein altes Kleid an mir herunter, mein Haar ergraute. Je älter und hässlicher ich wurde, desto mehr jubelte ich.« Rais führte eine Hand zu ihrem Gesicht und brach in ein bitteres Lachen aus, während ihre Augen irre funkelten. »Er hasste mich für das, was ich tat, und versuchte mit seiner Magie, mich wieder zu der Frau zu machen, die ich einmal war. Doch gegen meinen Willen konnte er nichts ausrichten. Gleichzeitig wusste das Ungeheuer, dass es mich nicht gehen lassen durfte, und hielt mich mit Gewalt bei sich fest. Lange Zeit schmachtete ich in den Verliesen seiner Festung, bis mir irgendwann die Flucht gelang, denn auch ein Tyrann vermag nichts gegen die Unaufmerksamkeit einer Wache zu tun. Später versuchte ich dann, die Geheimnisse von Sheireens Vergangenheit aufzudecken, und fand auf diesem Weg den Talisman.« Rais hob den Blick und sah Ido aus ihren alten, jetzt irr wirkenden Augen an. »Wenn der Tyrann stürzt, dann durch meine Hand. Mir allein kommt dann das Verdienst zu, seinen Untergang herbeigeführt zu haben«, schloss sie.
Der Gnom blickte sie lange an und spürte dabei, wie ihm ein Schauer über den Rücken lief. Was er gerade gehört hatte, warf einen beunruhigenden Schatten auf Nihals Mission. Darüber hinaus passte da etwas nicht zusammen: Rais hatte ihm nicht die ganze Wahrheit erzählt. Niemand entkam aus der Festung des Tyrannen, und wenn dies jenem schwachen, verzärtelten Wesen geglückt war, dann musste es der Tyrann zugelassen haben. Aber aus welchem Grund? »Behalte das alles für dich«, sagte die Greisin finster. »Was ich dir erzählt habe, darf diese vier Wände nicht verlassen.«
»Natürlich nicht«, erwiderte der Gnom, doch seine Absichten sahen vollkommen anders aus.
Abends in Makrat war Ido beim Training weniger konzentriert als üblich. Immer noch grübelte er über Rais' Worte, über die Geschichte des jungen Magiers, der den Weg des Bösen eingeschlagen hatte, vor allem aber über Debar. In gewisser Hinsicht
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