Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht
Weite. Nihal und Sennar wanderten noch schneller, sie konnten es gar nicht erwarten, in den Schutz der Bäume zu gelangen.
Doch als sie den Wald endlich erreichten, stießen sie zunächst nur auf versteinerte Baumstümpfe. Das hieß, auch dieser Wald war bereits zerstört worden, um an das schwarze Kristall zu kommen, aus dem manche Stämme bestanden. Je weiter sie vordrangen, desto dichter wurde die Vegetation, und sie erblickten die ersten Bäume, die die Vielfalt und die Formen normaler Bäume zeigten. Nur waren diese ganz aus Stein - Stämme, Äste und Blätter - und wirkten dennoch lebendig. Ein erstarrter Wald, wie in einem bestimmten Augenblick seiner Existenz plötzlich eingefroren. Es gab kein Rauschen in den Baumkronen, keine Tiere, noch nicht einmal Wasser. Nihal begriff, dass dies ein heiliger Ort war, nahm die Kräfte der Natur wahr, die sich in den Stämmen verbargen und nach ihr riefen. Den antiken Göttern geweiht, war die- ser Wald ein Platz, an dem die Geschöpfe der Aufgetauchten Welt in Kontakt treten konnten mit der Natur, mit den Geistern in ihrer jeweiligen Erscheinungsform. Wie fromme Pilger mit gesenktem Haupt und in ehrfürchtigem Schweigen durchwanderten Nihal und Sennar den Wald.
Eines Abends blieb Nihal plötzlich stehen. »Es ist nicht mehr weit«, sagte sie. »Länger als einen Tag brauchen wir nicht mehr.«
Die Halbelfe schloss die Augen, drehte sich dann und zeigte in die Richtung, der sie folgen sollten. Schneller liefen sie nun durch den versteinerten Wald, als sei ein unsichtbarer Pfad fürsie gespurt, der sie zum Ziel führen würde. Sie waren müde und hungrig, dazu aufgeregt, weil sie ihr Ziel in der Nähe spürten. Daher vernahmen sie nicht die Geräusche in der Ferne, den undeutlichen Widerhall von Schritten auf dem Fels, das kaum vernehmliche Scheppern von Schwertern.
Plötzlich blieb Nihal wieder stehen.
»Sind wir da?«, fragte Sennar.
Bevor sie antworten konnte, hallte ein metallisches Geräusch von einem steinernen Baumstamm wider. Nihal zog ihr Schwert.
»Einen Kampf können wir uns jetzt nicht erlauben, wir müssen zum Heiligtum«, rief der Magier.
Nihal überlegte einen Augenblick. »Dort hinüber«, zischte sie, und schon huschten die beiden hurtig zwischen den Bäumen entlang.
Einige Augenblicke hörten sie nichts mehr und wollten schon aufatmen, als sie wieder schwere, rasch näher kommende Schritte auf dem Fels wahrnahmen. Feinde, die ihnen dicht auf den Fersen waren. Schon begann ein erregtes Rufen hinter ihnen. Sie waren entdeckt worden.
»Sie dürfen nichts von dem Heiligtum erfahren«, keuchte Sennar. »Ist es hier in der Nähe?«
»Ja, es kann nicht mehr weit sein, ich spüre es deutlich.«
Nun wusste Sennar, was er zu tun hatte. »Ich halte sie auf, und du rennst zum Heiligtum und holst dir den Stein.«
»Es sind zu viele«, erwiderte Nihal. »Das kannst du unmöglich schaffen. Wir müssen sie abhängen.«
Sennar blieb stehen. »Du unterschätzt mich. Hast wohl vergessen, was auf der Lichtung geschehen ist.« Mit diesen Worten wandte er ihr den Rücken zu.
»Sennar...«
»Lauf schon!«, rief er. Er drehte sich noch einmal zu ihr und lächelte sie an. »Sei unbesorgt, ich kann schon auf mich aufpassen. Wir sehen uns später.«
Ein paar Sekunden blieb die Halbelfe noch unschlüssig stehen. Dann wandte sie sich ab und stürmte los.
Nihal rannte, so schnell sie konnte, und machte sich dabei heftige Vorwürfe, dass sie Sennar alleingelassen hatte. Sie musste daran denken, wie sie ihn und Laio vor einem anderen Heiligtum sich selbst überlassen hatte, versuchte aber, den Gedanken schnell zu vertreiben.
Ich brauche ihn. Ihm darf nichts geschehen.
Niemand folgte ihr. Das hieß, Sennar tat sein Bestes. Sie zwang sich, noch schneller zu laufen, wobei sie immer mehr außer Atem kam. Sie spürte ganz deutlich, wo ihr Ziel lag, und hetzte Hals über Kopf darauf zu.
Plötzlich merkte sie, dass sie angekommen war. Sie blieb stehen, versuchte, sich zu beruhigen, und schaute umher. Vor ihr lag ein kleiner Hügel, der zu einer Seite eine Höhlung aufwies. Das war es. Als sie davor stand, hatte sie keine Zeit für Zweifel, das Schwert vorgereckt, trat sie in das Dunkel.
Sie fand sich in einem langen, engen Tunnel wieder, der in das Erdreich hinunterführte. Schon wollte sie mit einem kleinen Zauber Licht machen, als sie das Funkeln unter ihrem Leibchen bemerkte. Sie zog den Talisman hervor, und sofort verströmten die Edelsteine einen hellen Lichtschein,
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