Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht
zeigt mir, wo er sich befindet. Bevor ich ihn zurückließ, trug er mir noch auf, ich solle, falls ich ihn hier im Lager nicht anträfe, erst dann nach ihm suchen, wenn ich meine Mission erfüllt habe.« Ido betrachtete den Dolch und spürte die ihm innewohnenden Kräfte. »Bis jetzt hatte ich noch nicht den Mut, mir die Klinge auch nur ein Mal anzuschauen«, fügte Nihal hinzu.
»Ich bin sicher, dass es ihm gut geht«, tröstete Ido sie, wobei ihm bewusst war, dass seine Worte einer sinnlosen Lüge gleichkamen.
»Es muss ihm gut gehen«, erwiderte Nihal, so eindringlich, dass es ihn überraschte. Die Halbelfe schlug die Augen nieder. »Ich liebe ihn«, murmelte sie und starrte auf ihren Krug.
Ido zog nervös an seiner Pfeife, während ihn, kurz hintereinander, verschiedene Gefühle überkamen: zunächst eine Art Empörung, dann väterliche Eifersucht und zuletzt liebevolle Ergriffenheit. Ja, Sennar war der Einzige, der sie glücklich machen konnte.
»Ich hab's immer gewusst, seit ich ihn zum ersten Mal sah, damals, als er hier abgehetzt im Hauptlager eintraf«, bemerkte der Gnom schließlich.
»Ich hingegen habe sehr lange gebraucht, um es zu begreifen, aber jetzt ist er die einzige Sicherheit, die ich habe«, erklärte Nihal. »Uber Jahre habe ich überall herumgesucht nach einem Grund zu leben, dabei hatte ich ihn die ganze Zeit schon an meiner Seite«, fuhr sie fort. »Nun kämpfe ich für ihn und werde für ihn den Tyrannen stürzen. Rache interessiert mich nicht mehr, alles, was ich mir wünsche, ist eine friedliche Welt, in der ich mit Sennar glücklich leben kann. Natürlich, gemessen an den Idealen, die dich und die anderen in diesem Heer leiten, ist mein Ziel unbedeutend und egoistisch, aber ...« »Zu lieben ist weder unbedeutend noch egoistisch«, unterbrach Ido sie. »Egal was uns antreibt, allein durch die Tatsache, dass es unserem Leben einen Sinn gibt, ist es wichtig.«
»Mir ist klar geworden, dass ich nicht die ganze Welt retten kann, ein Leben aber schon. Das ist der Grund, weshalb ich mir den Dolch nicht ansehen kann.«
»Du darfst die Hoffnung nie aufgeben«, sagte der Gnom. »Wenn dies alles hier überstanden ist, möchte ich euch beide, dich und Sennar, zusammen sehen, für den Rest eures Lebens.«
Nihal lächelte ihn an und umarmte ihn.
Jetzt war die Reihe an Oarf. Nihal rannte in die Stallungen, und als sie ihn sah, gesund, wohlbehalten und so stark, wie sie ihn zurückgelassen hatte, weinte sie vor Freude. Gerührt umarmte sie ihn lange, und es kam ihr so vor, als seien auch die strengen Augen des Drachen feucht geworden. Am nächsten Tag bestieg sie nach langer Zeit wieder einmal einen Drachenrücken. Eine ganze Weile flog sie übermütig umher, vollführte akrobatische Kunststücke in der Luft und war glücklich festzustellen, dass sie und ihr Drache sich trotz der monatelangen Trennung immer noch perfekt verstanden.
»Zwischen uns beiden gibt es ein unverbrüchliches Band. Von nun an werde ich dich nie mehr verlassen, alles, was kommt, werde ich mit dir zusammen erleben. Sollte ich diesen Kampf verlieren, falle ich mit dir, sollte ich ihn gewinnen, dann auf deinem Rücken«, flüsterte sie Oarf ins Ohr, als sie wieder am Boden waren.
Stolz hob der Drache den Kopf.
Gleich am nächsten Tag begannen die Vorbereitungen für die große Schlacht, während Frost und Schnee immer stärker die Landschaft um das Lager herum prägten. Allen war klar, dass sich in Kürze ihr eigenes Schicksal und das der Freien Länder entscheiden würde. Es würde sich herausstellen, ob es für die Welt, für die Aufgetauchte wie auch für die Untergetauchte, überhaupt noch Hoffnung gab. Drei Tage nach ihrer Rückkehr sah Nihal auch Soana wieder. Die Magierin hatte sich beim Rat aufgehalten, wo über die Aufstellung der Truppen an der Front im Westen beraten wurde. Doch kaum hatte sie Nihals Botschaft erhalten, unterrichtete sie Nelgar und machte sich unverzüglich auf den Weg zurück ins Hauptlager.
Als Nihal sie erblickte, hatte sie den Eindruck, als sei für Soana mehr als bloß ein Jahr vergangen. Die Magierin war immer noch eine stolze Schönheit, edel und majestätisch wie früher, doch ihr Gesicht war blass und von vielen Falten durchzogen, so als hätten sich dort die Zeichen neuen Schmerzes, großer Anstrengungen und erdrückender Ver antwortung eingeprägt. Sie trug wieder das schwarze Gewand, das sie auch damals bei der Rückkehr von ihrer langen Suche nach Rais angehabt hatte. Jetzt nahm
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