Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht
mit Sennar?«
»Er ist verwundet worden, vor über einem Monat, im Land der Felsen, und hat mich gezwungen, ihn zurückzulassen.« Nihal blickte den Gnomen an und verstand, dass sie ihm nicht mehr erklären musste, dass er fühlte, wie schwer ihr diese Entscheidung gefallen war.
»Sobald es ihm besser gehe, sagte er, würde er sich auf den Weg machen, um mich hier zu treffen«, fuhr sie fort. »Er hatte eine tiefe Wunde im Oberschenkel, so etwas heilt nur langsam, dennoch ... ich habe Angst, dass ihm etwas zugestoßen ist... Er hat mir auch keine Botschaft zukommen lassen.« Die Tränen, die sie bis dahin zurückgehalten hatte, liefen ihr nun langsam über die Wangen. Als sie den Blick hob, kam ihr Ido schlagartig gealtert vor.
»Sennar ist einer der besten Magier überhaupt«, sagte der Gnom. Er legte ihr eine Hand auf den Kopf und streichelte ihr über das Haar. »Ihm ist sicher nichts Schlimmes passiert. Er wird schon bald kommen.«
Nihal trocknete die Tränen. »Was hast du mit deinem Auge gemacht?«, fragte sie. Ido lächelte. »Ein kleines Tauschgeschäft mit Deinoforo, dem Ritter der Schwarzen Drachen, der dich damals zwang, gegen den toten Fen zu kämpfen. Ich habe ihm eine Hand abgeschlagen, und er hat sich dafür an meinem Auge schadlos gehalten.« »Willst du damit sagen, dass ...«, begann Nihal.
»Tja«, antwortete Ido gleichgültig, »ich hab nur noch ein Auge.« Er versetzte ihr einen sanften Klaps auf die Wange. »Du wirst doch nicht meinetwegen weinen? Glaub mir, es ist kein großer Verlust, ich hab ja noch das andere. Ich sehe immer noch so gut wie vorher.« Er lächelte, doch es war ein bitteres Lächeln.
»Wie ist das geschehen?«
Ido lehnte sich zurück und nahm einen großen Schluck Bier. »Das war damals bei der schweren Niederlage«, begann Ido und erzählte Nihal dann von den Ereignissen, die sich in den Monaten nach ihrem Aufbruch zugetragen hatten: vom ersten Zweikampf mit Deinoforo, dem Training mit Parsel, von der Unterstützung, die er durch Soana erfahren hatte. Die Halbelfe hörte still zu und versuchte, ihre Gefühle zu verbergen. Nur als ihr Ido von dem Geheimnis in Rais' Vergangenheit erzählte, zuckte sie zusammen.
Als Ido geendet hatte, nahm er seine Pfeife aus der Tasche und zündete sie an. Durch die ersten Rauchwölkchen hindurch sah er, dass Nihal glänzende Augen hatte. »Nun stehst du also unter Londals Befehl«, bemerkte sie.
Ido schüttelte den Kopf. »Befehle erhalten oder erteilen, das ist mir gleich. Was zählt, ist, weiter gegen den Tyrannen kämpfen zu können. Darüber hinaus ist Londal ein intelligenter Mann und ein tüchtiger Feldherr, er versteht meine Lage und behandelt mich stets mit dem gleichen Respekt wie die anderen Offiziere.«
Erneut machte sich Schweigen zwischen ihnen breit. Während Nihal ihr Bier in einem Zug leerte, blickte Ido sie einige Augenblicke aufmerksam an. Sie hatte ihm gefehlt in all den Monaten, und nun war er glücklich, sie endlich wieder in seiner Nähe zu haben. Die Zuneigung, die sie ihm entgegenbrachte, gehörte zu den wenigen Dingen, die ihn noch mit Stolz erfüllten, und vermochte es, auch bei ihm längst verschüttet geglaubte Gefühle neu zu beleben. Aber sie hatte sich verändert, sie war nicht mehr das Mädchen früherer Zeiten. Irgendetwas musste auf ihrer Reise geschehen sein, was sie ihm nicht erzählt hatte.
Als Nihal ihm berichtet hatte, dass Laio tot und Sennar schwer verwundet war, hatte der Gnom gemerkt, dass ihn all die Abenteuer seines langen Lebens nicht hatten abstumpfen lassen. Doch im ersten Moment hatte er Nihal seinen Schmerz nicht zeigen wollen, um nicht an ihrem Leid zu rühren. Nun jedoch merkte er, dass es an der Zeit war, darüber zu sprechen, und er fragte sie, wie das alles gekommen war. So erfuhr er von dem heldenhaften Verhalten des jungen Knappen, seinem Tod in Nihals Armen, von ihrer Flucht, bei der Sennar verwundet wurde, von ihrem Aufenthalt in der Grotte und dem Augenblick, als sie ihn hatte zurücklassen müssen. Ido bemerkte, dass sich Nihals Wangen an einer bestimmten Stelle ihrer Erzählung röteten, und als sie geendet hatte und wieder ein kurzes Schweigen entstand, begriff er, dass seine Schülerin endlich zu sich selbst gefunden hatte.
Nihal warf den Dolch, den sie noch nicht aus dem Futteral genommen hatte, auf den Tisch. »Als wir uns verabschiedeten, hat er mir den hier gegeben. Er hat ihn mit einem Zauber belegt, das heißt, solange er am Leben ist, strahlt die Klinge und
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