Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht
Winkel deiner Seele werde ich blicken.«
Mit einem Mal erstrahlten die Augen des Tyrannen in einem besonderen Licht und hefteten sich auf die von Sennar. Den Magier überfiel eine wahnsinnige Furcht. Diese Augen waren nicht menschlich, in ihrem durchdringenden Grün lag eine Grausamkeit ohnegleichen. Schließlich zeigte der Tyrann sein Gesicht, jenes Gesicht, an das Sennar während ihres Gesprächs ständig gedacht hatte und das er auf keinen Fall sehen wollte. Er spürte, wie seinem Geist Gewalt angetan wurde, wie der Tyrann in ihn einzudringen versuchte. Doch er widerstand und schrie auf, mit aller Kraft, die er noch im Leib hatte.
36. Vor der Schlacht
Der letzte Teil ihrer Reise wurde für Nihal noch einmal hart. Die Halbelfe stellte fest, dass das Land des Wassers nun fast vollständig in der Hand des Feindes war. Nur in einem Stückchen im Nordosten, an der Grenze zum Land des Meeres, wurde noch ein letzter zaghafter Widerstand geleistet.
Darüber hinaus war das ganze Gebiet dem Verfall anheimgegeben, ein Land im Todeskampf. Viele Wasserläufe waren versiegt, andere verseucht, auch die Wälder zeigten bereits die ersten Anzeichen von Zerstörung, viele Dörfer waren dem Erdboden gleichgemacht worden. Wie viele Nymphen mochten das überlebt haben? Nihal begann zu fürchten, dass es keine freien Länder mehr gab. Sie dachte zurück an ihre letzte Schlacht, als die Geister der Gefallenen Tod und Verderben gebracht hatten. Diesem entsetzlichen Heer war auf Dauer nichts entgegenzusetzen. Vielleicht hatte sich ihre Mission bereits erledigt.
Dennoch durchquerte Nihal so schnell wie möglich das zerstörte Land, marschierte bis zur vollkommenen Erschöpfung und brauchte so nur zwei Wochen, bis sie die Freien Länder erreicht hatte. Auch dort war die Lage alles andere als rosig. Die Bevölkerung litt Hunger, die Ernten waren schlecht, doch immerhin war man noch nicht unterjocht. Im Land des Meeres angekommen, begab sich Nihal sogleich in ein Militärlager und sandte Soana eine Botschaft, um sie über ihre bevorstehende Ankunft zu unterrichten. Dann ließ sie sich ein Pferd geben.
Als Nihal ungefähr eine Woche später im Hauptlager eintraf, schneite es in dichten Flocken. Es war schon wieder Dezember. Ein ganzes Jahr war seit ihrem Aufbruch vergangen.
Nihal stieg ab und klopfte an, woraufhin sich eine Klappe im Tor öffnete und ein Soldat sie musterte. »Wer da?«, fragte er.
»Drachenritter Nihal aus der Turmstadt Salazar. Von ihrer Mission zurück. Ihr solltet unterrichtet sein.«
Die Klappe wurde zugeschlagen, und sie hörte das metallische Geräusch von Riegeln und Ketten, die zurückgezogen wurden, dann gingen die großen Torflügel auf. »Willkommen zurück!« Mit einem Lächeln im Gesicht trat die Wache auf sie zu und umarmte sie.
Nihal ließ ihr Pferd stehen und betrat das Hauptlager. Eine bedrückende Atmosphäre lag über dem Gelände, und die Gesichter, die sie anblickten, wirkten erschöpft. Viele kamen ihr entgegen und begrüßten sie mit einem Händedruck oder einer Umarmung. Immer wieder sah sich Nihal suchend nach Sennar um, obwohl das Herz ihr sagte, dass er nicht da war. Nachdem sie so im Spalier der Soldaten das Lager durchquert hatte, sah sie jemanden am Ende des Weges warten.
Nihal murmelte leise seinen Namen und lief, immer schneller werdend, auf ihn zu, bis sie ihm schließlich entgegenrannte und sich in seine Arme warf.
»Ist Sennar da?«, fragte sie sogleich.
»Wir dachten, ihr kommt zusammen«, antwortete Ido.
Nihals Herz verkrampfte sich, und sie suchte Trost in den Armen ihres Lehrmeisters. Idos Hütte war noch genauso wie in ihrer Erinnerung, nur sehr viel unordentlicher als früher. Solange sie bei ihm gewohnt hatte, hatte Nihal immer für ein wenig Ordnung gesorgt; nun jedoch legte Ido offenbar auf Äußerlichkeiten überhaupt keinen Wert mehr. Der Gnom selbst hingegen hatte sich verändert. Nihal hatte es nicht sogleich bemerkt, weil sie zu froh war, ihn lebend wiederzusehen, doch Idos linkes Auge war geschlossen, und eine lange Narbe durchzog sein Gesicht.
Zunächst saßen sie sich schweigend vor zwei gut gefüllten Bierkrügen gegenüber. Es war Ido, der schließlich der Last der Fragen, die zwischen ihnen standen, nachgab. »Was ist mit Laio geschehen?«, fragte er.
»Er wurde getötet, im Grenzgebiet des Landes der Nacht. Im Kampf. Er starb als Held«, antwortete Nihal knapp.
Ido senkte den Kopf und schwieg lange. Endlich blickte er wieder auf und fragte: »Und was ist
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