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Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht

Titel: Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Licia Troisi
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Kopf gesetzt, hier in mein Reich einzudringen, um dich zu rächen, würden die Halbelfen noch im Land der Tage leben. Vielleicht unter meinem Joch, aber sie würden leben.« Nihal wich noch weiter zurück, während die letzten Worte des Tyrannen in ihrem Kopf widerhallten. Sie hatte es immer gewusst, hatte immer gefühlt, dass sie der Grund für tausendfaches Leid war, dass sie, wohin sie auch ging, Tod und Verderben mit sich brachte. So viel für sie vergossenes Blut: Ihr Volk, Livon, Fen, Laio, Raven... alle waren sie ihretwegen gestorben.
    »Gräm dich nicht«, sprach Aster weiter, »zum Schluss hätten sie ohnehin alle dran glauben müssen. Die Halbelfen, deine Freunde, die freien Völker, die versklavten Völker. Alle.«
    »Du bist ein Ungeheuer!«, rief Nihal aus, die jetzt mit dem Rücken zur Wand stand. »Gewiss«, erwiderte Aster, »aber ich bin auch nicht schlimmer als andere. Nicht schlimmer als du oder deine Soldaten oder irgendein fühlendes Wesen, das diese unselige Welt bewohnt. Oder sind sie nicht gerade wieder alle dort draußen damit beschäftigt, sich gegenseitig abzuschlachten? Vor meinem Palast bekämpfen sie sich, töten einander ohne Gnade und haben noch ihren Spaß daran.«
    »Wir kämpfen nur für Frieden und Freiheit«, entgegnete Nihal.
    »Das bildet ihr euch nur ein«, verbesserte sie der Tyrann. »Aber mittlerweile müsstest du es doch auch begriffen haben: Frieden hat es in unserer Welt nie gegeben. Selbst die fünfzig Jahre währende Herrschaft Nammens, die ihr Rebellen ständig hochhaltet, war eine Zeit der Kriege, verdeckt, aber nicht weniger blutig. Und wer Seferdi zerstörte, weißt du auch: Es waren Menschen. Im Grunde weißt du das alles, aber du weigerst dich, genau hinzusehen.«
    »Da irrst du dich. Ich sehe sogar sehr genau hin. Ich habe die Missgestalten in deinen Laboren gesehen, ich habe Malerba gesehen, ich sah die Gehenkten noch am Strang in Seferdi, ich sah Fammin, die gegen ihren Willen zum Töten gezwungen wurden. Und du bist der Urheber all dieses Grauens. Du bist das Böse, du bist der Hass«, antwortete Nihal, ohne Luft zu holen.
    »Gewiss, was Hass angeht, kennst du dich besonders gut aus«, erwiderte Aster. Sein Blick wurde so durchdringend, dass Nihal die Augen niederschlug. »Du hast Hunderte von Fammin niedergemetzelt, ohne dich zu fragen, ob sie es verdient hatten - aus reiner Mordlust. Du liebtest das Gefühl, wenn dir das Blut deiner Opfer die Arme hinunterrann, fühltest dich unangreifbar, wenn dein Schwert Menschen oder Gnomen durchbohrte. Von deiner schwarzen Klinge hinweggeraffte Leben. Und komme mir nicht damit, du seiest nicht absichtlich grausam gewesen, denn das war wohl kein großer Trost für jene, die von deiner Hand starben.«
    Nihal spürte, wie diese Worte sie tief in der Seele trafen und dort einen Graben aufrissen, aus dem all das hervorquoll, was sie glaubte, für immer begraben zu haben. Es stimmte. Sie hatte das Blut geliebt und mit Freuden getötet. »Du bist nicht besser als ich!«, rief sie verzweifelt.
    »Nein, aber du umgekehrt auch nicht. Doch überlege mal, was suchst du dann hier? Mit welchem Recht willst du dich über mich erheben, mich verurteilen und bestrafen? Nein, Nihal, wir leben in einer Welt unverbesserlicher Sünder, wir sind alle Ungeheuer«, erklärte Aster ruhig.
    Nihal kochte vor Wut. Dieses Wesen vor ihr war nicht aus der Ruhe zu bringen, wurde nicht zornig, hasste sie nicht. War es denn möglich, dass hinter seinen Untaten gar kein Hass stand, sondern eine klare Überlegung? Sie verstand nicht, wie das zusammenpasste, diese erbarmungslose Kälte des Knaben und seine unschuldigen Augen, die sie daran hinderten, ihn zu hassen.
    Aster begann im Saal auf und ab zu schlendern, und wie verzaubert folgte Nihal seinen Bewegungen. Die Sonne hinter dem Fensterglas sank bereits.
    »Ich habe viele der sogenannten Helden der Freien Länder erlebt, und alle behaupteten sie das Gleiche: ›Wir kämpfen, um diese Welt zu befreien, um ihr neue Hoffnung zu geben^ Ich bezweifle nicht, dass ihr selbst daran glaubt, und doch handelt es sich nur um den hochtrabenden Versuch, einen Trost zu finden.«
    »Das Streben nach Freiheit und einem friedlichen Leben ist das höchste und reinste Ziel, das ein Wesen auf Erden nur haben kann«, erwiderte Nihal.
    Aster brach in schallendes Gelächter aus: »Ach, welch poetische Worte. Das hätte ich gar nicht erwartet von jemandem, der sich sonst nur mit dem Schwert auszudrücken versteht.« Er ging

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