Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht
überzeugt, dass meine Liebe nur vorgetäuscht war und mir dazu dienen sollte, noch größere Macht zu erlangen. Aber nur weil Rais sich selbst hasste, konnten diese Verleumdungen auf fruchtbaren Boden fallen. Sie hasste sich, weil sie schwach geworden war und ihren Gefühlen für mich nachgegeben hatte. Oren jedoch wünschte nicht nur meinen Tod, sondern wollte mich auch erniedrigen, vernichten. Dazu belegte er mich mit einem Siegel, durch das ich diese kindliche Gestalt annahm, die du vor dir siehst. Zunächst verstand ich nicht, wieso er das getan hatte, ich war ein mächtiger Zauberer und würde es auch in Knabengestalt bleiben. In der Einsamkeit meiner Zelle wurde mir dann aber klar, dass er auf diese Weise dafür gesorgt hatte, dass mich nie mehr eine Frau begehren würde. Schließlich brachte er einen Prozess vor dem Rat in Gang, in dem ich zum Tode verurteilt wurde. Doch zur Vollstreckung kam es nicht, denn ich konnte fliehen.« Nach diesen Worten schwieg Aster.
»Du lügst«, warf Nihal ein. »Du hast Rais hintergangen, und aus diesem Grund hasst sie dich. Du hast sie betrogen und später in deiner Festung gefangen gehalten, um sie erneut zu missbrauchen.«
Aster drehte sich zu Nihal um und blickte sie traurig an, seine Augen glänzten. »Du behauptest Dinge, die du selbst nicht glaubst. Trotz meines Aussehens wollte ich sie eines Tages wiedersehen. Ich beauftragte einen Ritter, sie für mich ausfindig zu machen, und dieser brachte sie schließlich zu mir. Im ersten Moment verhielt sich Rais genauso wie du vorhin: Sie blickte an mir vorbei und suchte den Tyrannen. Als sie dann aber begriff, dass ich es war, verzog sie nur angewidert das Gesicht. Ich versuchte, sie an unsere Liebe zu erinnern, flehte sie an, mein Erscheinungsbild zu vergessen und tiefer zu blicken, aber es war sinnlos. Eine Zeit lang behielt ich sie noch bei mir, stets in der Hoffnung, sie von der Reinheit meiner Gefühle überzeugen können, doch Rais glaubte felsenfest, ihre Schönheit sei das Einzige, was ich an ihr begehrte, und ihr Hass auf mich und auf sich selbst steigerte sich immer mehr. So verfiel sie irgendwann auf die Idee, ihr Gesicht und ihren Körper mit jedem Tag mehr zu verunstalten. Dadurch begriff ich, dass ihr Hass zu stark war und dass ich die Frau, die ich liebte, nie mehr wiederfinden würde. Und ich ließ sie gehen. Zuvor jedoch gedachte ich noch in ihren Geist einzudringen, um zu sehen, ob dort nicht doch noch eine Spur von Liebe für mich zu finden war.« Nihal erschauderte bei diesen Worten. »Was ich dort sah, war entsetzlich. Ihr Geist war vom Hass vollkommen beherrscht. Aber immerhin gelang es mir, ihre Erinnerung an mein Aussehen zu tilgen, sodass sie niemandem davon erzählen konnte.«
»Du lügst«, fiel ihm Nihal ins Wort.
»Ich lüge nicht, und das weißt du, denn du spürst es im Herzen.«
Es stimmte. Nihal spürte, dass Aster die Wahrheit sagte, dass er nie aufgehört hatte, Rais zu lieben. Sie war es gewesen, die mit ihrem Hass die Liebe zwischen den beiden zerstört hatte.
Aster trat an ein Fenster und fuhr mit seiner Erzählung fort, während das letzte Tageslicht seine kleine Gestalt einrahmte. »Diese zweite Zurückweisung war nur die Bestätigung dessen, was mir längst klar war. Bereits als mir Rais oben auf dem Treppenabsatz den Rücken zuwandte, hatte ich das Prinzip, das hinter ihrer Unversöhnlichkeit steckte, erkannt und akzeptiert: Alle Geschöpfe dieser Welt sind zum Hass geboren. Die Götter schufen uns, damit wir einander hassen und töten, und dabei schauen sie uns zu und haben ihren Spaß an unseren Kämpfen. Für sie sind wir nicht mehr als ein Zeitvertreib, Marionetten in ihren Händen. Denk mal genauer nach, Sheireen, und du wirst mir zustimmen, dass sehr viel mehr Menschen aus Hass als aus Liebe zu sterben bereit sind. Denn der Hass ist ewig, die Liebe aber flüchtig.«
»Was du da sagst, ergibt keinen Sinn«, antwortete Nihal. »Wenn der Hass dich anwidert, warum nährst du ihn dann schon seit vierzig Jahren? Warum hast du diese Welt in die Barbarei zurückgeworfen?«
»Damit es mit den Grausamkeiten ein Ende hat«, erwiderte Aster, und seine grünen Augen erstrahlten in einem neuen Glanz. »Es reicht mit dem Blutvergießen, den Rachefeldzügen und Fehden, die sich über Jahre und Jahrhunderte fortsetzen und Generation um Generation vergiften. Frieden jedoch kann es niemals geben, weil die Bewohner dieser Welt nicht dafür geschaffen sind. Wir sind bösartig, wir sind ein
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