Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht
ist keine Liebe, Sheireen. Du hast ihn benutzt.«
»Sag mir, dass es ihm gut geht...«
»Bis zuletzt hat er dich beschützt. Trotz langer Folter redete er nicht. Gewiss, er schrie, aber von dir kein Wort.« Tränen rannen über Nihals Wangen.
»Schließlich musste ich die Sache selbst in die Hand nehmen. Ich suchte ihn auf und machte mich daran, in seinem Geist zu stöbern. Nicht, dass ich ihm wehtun wollte. Ich bewunderte ihn ja. In vielerlei Hinsicht war er mir ähnlich, auch er liebte eine Frau, von der er nichts zurückbekam. Unglaublich lange widerstand er meinem Geist. Doch schließlich behielt ich die Oberhand, überwand seinen Widerstand und drang in seine Seele ein. Jedes seiner Gefühle machte ich mir zu eigen, durchforstete sein Herz, sezierte es. So erfuhr ich von dir und deiner Mission.«
So sehr Nihal es auch hasste, sich vor diesem Ungeheuer schwach zu zeigen, nun weinte sie haltlos. »Sag mir, dass es ihm gut geht...«
»Ich hatte Gnade mit ihm. Es war ihm vorherbestimmt, so wie ich zu leiden, jede Sicherheit, dich und seine Träume zu verlieren. Ja, ich habe furchtbar gelitten, Sheireen, nicht einmal meinem ärgsten Feind wünsche ich diesen Schmerz. Es war ein Akt der Barmherzigkeit, dass ich ihn tötete.«
Nihal fiel auf die Knie, und zum ersten Mal in ihrem Leben glitt ihr angesichts des Feindes das Schwert aus den Händen.
Mit einem triumphierenden Lächeln trat Aster auf sie zu. Die fahle Sonne draußen hatte fast schon die Ebene erreicht. »Nun ist auch deine letzte Hoffnung dahin, Nihal. Du hast kein Ziel mehr. Jetzt bleiben dir nur noch zwei Möglichkeiten: Entweder dich mir anzuschließen und mir zu helfen, meine Aufgabe zu Ende zu führen, oder auf der Stelle zu sterben. Für Geschöpfe wie uns gibt es keinen Frieden auf Erden, nur die Stille des Todes.«
Die letzten Sonnenstrahlen hatten sich rötlich gefärbt, der Sonnenuntergang hatte begonnen. Und Aster hatte gesiegt.
Er würde seinen Plan in die Tat umsetzen, würde alle Völker ausrotten, die diese Welt bewohnten, und schließlich selbst im Nicht-Sein versinken.
Unfähig, sich zu bewegen, kauerte Nihal am Boden. Ihr Schwert lag gleich vor ihr. Aster war auf sie zugetreten, doch als er sich gerade über sie beugen wollte, bäumte sie sich mit schmerzverzerrter Miene auf.
»Vielleicht hast du Recht, und nur der Tod kann mir noch Frieden schenken. Aber immerhin gehst du mir ins Grab voran«, zischte sie.
Sie hatte ihr Schwert ergriffen und rammte es ihrem ewigen Feind mit der Kraft der Verzweiflung in den Unterleib. Sie sah, wie sich die Augen des Knaben vor Schmerz weiteten und sich sein Mund zu einem stummen Schrei öffnete. Doch tief in diesem Blick erkannte sie noch etwas anderes: Freude. Im Grunde hatte sich Aster nichts anderes gewünscht als den Tod.
Nihal zog das Schwert aus seinem Leib, und der Tyrann sackte zusammen. Da verwandelte sich plötzlich sein Knabenkörper und durchlief all die Jahre, die er gelebt hatte, bis er ein Greis war. Dann verschwand auch dieser Anblick, und Aster zerfiel zu Staub.
Die Rache war vollendet. Lange, lange hatte Nihal auf diesen Augenblick gewartet, hatte ihn sich in allen Einzelheiten vorgestellt und erwartet, dann eine unsagbare, überschäumende Freude zu empfinden. Nun aber stellte sie fest, dass sie bitter schmeckte.
Ja, sie hatte den Tyrannen getötet, dadurch aber nichts an der Vergangenheit ändern können. Die Toten ruhten unter der Erde und mit ihnen jetzt auch Sennar. Alles, was Nihal getan hatte, war für ihn oder durch ihn geschehen, nun hatte ihr Kampf seinen Sinn verloren, und ihre Zukunft war unklarer als je zuvor.
Allein in dem unermesslichen Thronsaal, dessen Wände bereits zu beben und zu zerbröckeln begannen, war es Nihal unmöglich, sich Sennar tot am Boden in einer kalten, düsteren Zelle tief im Innern der Festung vorzustellen. Der Tod und Sennar waren zwei Dinge, die unmöglich zusammenpassten, so wie umgekehrt Leben und Sennar zwei Gedanken waren, die untrennbar zusammengehörten. Was sollte jetzt aus ihr werden? Wie gelähmt, die einstürzende Festung gar nicht richtig wahrnehmend, lag Nihal da und wünschte sich nichts weiter, als dort für immer liegen zu bleiben. In einem hatte Aster Recht: Für sie gab es keinen Frieden und keine Befreiung. Es tat ihr leid für Ido, für Soana, für alle, die ihr zugetan waren, aber sie spürte keinen Lebensmut mehr in sich - wenn sie so etwas überhaupt je besessen hatte.
Sie bekam kaum noch Luft, und die Steine
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