Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht
Geschwulst der Erde. Es gibt nur einen klugen Weg: Uns selbst zu vernichten und dadurch der Aufgetauchten Welt eine Chance zum Neubeginn zu geben.« Aster schwieg einige Augenblicke, und in dieser Stille begann Nihal zu zittern. »Habe ich erst alle acht Länder unter meiner Herrschaft vereinigt, werde ich einen Zauber heraufbeschwören, an dem ich seit meinem Ausschluss aus dem Rat der Magier experimentiere. Er wird es mir ermöglichen, alle Geschöpfe dieser Welt, ohne Ausnahme, zu vernichten. In diesem Zauber wird sich mein Geist vollkommen erschöpfen und damit ebenfalls von der Erde verschwinden, sodass von unserer Welt rein gar nichts erhalten bleiben wird.«
Das Entsetzen, das Nihal beim Betreten des Saales gepackt hatte, griff wieder mit eiskalten Händen nach ihr. »Niemand kann im Ernst so etwas wünschen... noch nicht einmal du«, sagte sie mit kaum vernehmlicher Stimme.
»Würdest du genauer darüber nachdenken, dir tiefere Gedanken machen, kämest auch du zu dem Ergebnis, dass dies kein Wahnsinn ist, sondern ein Akt der Barmherzigkeit. Ja, es handelt sich um eine Rebellion gegen den Himmel und seine Götter. Deswegen wurdest du hierher gesandt, weil die Götter es nicht hinnehmen, dass ein Wesen wie ich, von so kümmerlicher Gestalt, gegen sie aufbegehrt. Und doch tue ich es, im Namen der Gerechtigkeit. Warum das Leben auf dieser Erde verlängern, wenn in jeder Generation aufs Neue unschuldige Kinder abgeschlachtet werden und Frauen, wie meiner Mutter, Gewalt angetan wird? Wozu überleben und das Blutbad fortführen, das gleich mit unserer Erschaffung begann? Nein, soll doch lieber alles Blut auf einmal vergossen werden und die Erde tränken. Vielleicht entsteht daraus eine neue Generation, die diese Welt gerechter zu regieren weiß.«
Nihal starrte Aster voller Entsetzen an und begriff plötzlich, dass dieser von einer ausweglosen Verzweiflung beherrscht wurde.
»Sheireen, du kennst die Abgründe des Hasses doch sehr genau. Kannst du mir einen einzigen Grund nennen, warum diese Welt gerettet werden sollte?«, fragte Aster ernst. Nihal fand nicht die Worte, um gleich zu antworten. Sie zitterte, und das nicht nur, weil sie entsetzt war angesichts der Pläne des Tyrannen, sondern auch, weil sie seine Beweggründe verstand, weil er, in gewisser Hinsicht, sogar Recht haben konnte. Aster blickte aus dem Fenster, und hinter seinen kindlichen Schultern sah Nihal, wie sich die Sonne immer rascher dem Horizont zuneigte. Bis zum Sonnenuntergang blieb gerade noch eine halbe Stunde.
»Es gibt Gerechte, und die müssen gerettet werden«, sagte sie schließlich. »Ich kann es nicht zulassen, dass du die Gerechten tötest, die diese Welt bewohnen, es gibt genügend Leute, die zu leben verdient haben, Leute, die für den Frieden kämpfen ...« Nihal fühlte sich ihrem Ziel näher kommen. Asters Erklärungen stützten sich allein auf die Logik, doch Nihal wusste, dass oft genug der Verstand dem Herzen unterlag, und in ihr war noch Hoffnung, war noch die Überzeugung, dass eine Rettung möglich sei. In diesem Moment bedachte der Tyrann sie mit einem zweideutigen Lächeln, das sie erstarren ließ. »Du selbst weißt doch am besten, dass Hass viel stärker ist als Liebe«, sagte er.
»Das ist nicht wahr!«, rief Nihal.
»Und warum hast du Sennar dann verwundet auf feindlichem Gebiet allein zurückgelassen?«
»Woher weißt du das?«, fragte sie mit zitternder Stimme.
»Ich weiß es eben. Aber als du ihn zurückließest, konntest du wählen. Du konntest in jener Grotte, abseits von allem, ein Leben voller Liebe leben oder dich bis hierher zu meinem Thron durchschlagen, um Rache zu üben.«
»Wo ist Sennar!?«, rief Nihal angsterfüllt.
»Und du trafst deine Wahl. Der Hass war stärker.«
»Wo ist Sennar!?«, wiederholte sie, jetzt laut schreiend.
»Dabei liebt er dich. Er hat dich immer geliebt. Über Jahre, als treuer Freund an deiner Seite, ohne dich je berühren zu dürfen. Und du, was tatest du? Du verlorst dich in unzähligen Schlachten, im Blutrausch, begierig, weiter Tod und Verderben zu bringen.« »Ich bitte dich, bring mich zu ihm ...«
»Dann schließlich gabst du dich ihm hin und schenktest ihm damit das größte Glück seines Lebens. Es ist wahr, glaub mir. Ich weiß es, weil ich in sein Herz sah.« Mit weit aufgerissenen Augen starrte Nihal ihn an.
»Aber du tatest es nur, weil du dich einsam fühltest, weil du Zuspruch und Trost brauchtest und wusstest, dass du sie von ihm erhalten würdest. Das
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