Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht
stellte, beschlich ihn so eine Ahnung...
Der wird mich doch nicht...
»Dich haben wir für die Auswahl und Vorbereitung der Jungen eingeplant«, verkündete Raven.
Verdattert stand Ido da und sagte kein Wort.
»Selbstverständlich kommt dir auch die Aufgabe zu, sie in die Schlacht zu führen. Sie sollen deine persönliche Truppe sein, eine Schar von vielleicht hundert Jungen, die ich selbst mit weiteren dreihundert erfahreneren Soldaten aufstocken werde.«
Ido blickte aus dem Fenster. Er hätte sich nicht gewundert, wenn draußen ein Esel vorbeigeflogen wäre. Aber es standen nur Wolken am Himmel.
»Letztendlich hast du bei diesem Dämon mit den blauen Haaren recht gute Arbeit geleistet. Daher halte ich dich auch für die geeignetste Person für diese Aufgabe«, schloss Raven.
Eine Zeit lang herrschte im Saal vollkommene Stille, bis Ido irgendwann in schallendes Gelächter ausbrach.
»Die Lage ist dramatisch und keineswegs komisch!«, rief Raven ihn zur Räson. »Oder fühlst du dich der Aufgabe vielleicht nicht gewachsen?«
Ido riss sich zusammen. Es war nicht ratsam, vor dem Obersten General allzu lange den Spaßmacher zu spielen. Schließlich war er immer noch sein Vorgesetzter, auch wenn er den Mann für einen selbstherrlichen, eingebildeten Dummkopf hielt.
»Die Frage ist nicht, ob ich mich der Aufgabe gewachsen fühle«, erwiderte der Gnom mit einem ironischen Lächeln, »sondern warum du mich für geeignet hältst...« »Glaubst du denn, ich sei aus purem Zufall Oberster General geworden? Hältst du mich für beschränkt?«, ereiferte sich Raven. »Wir befinden uns im Krieg, wie gesagt, in einer sehr schwierigen Lage... Du weißt genau, dass ich dir immer misstraut habe, und kannst dir vorstellen, wie schwer es mir fällt, mich jetzt an dich zu wenden. Aber du bist ein listiger, mit allen Wassern gewaschener Krieger, und in unserer Lage brauchen wir Männer wie dich. Das Wohl der Freien Länder hat Vorrang vor irgendeinem kleinlichen Starrsinn oder unserer gegenseitigen Abneigung.«
Wie angenagelt stand Ido an seinem Platz, mit offenem Mund, unfähig, etwas zu erwidern. Raven schien nicht mehr der Mann zu sein, den er gekannt hatte. »Parsel wird dir bei der Auswahl der Jungen zur Seite stehen«, sprach Raven weiter, »und selbstverständlich wird dir eine Unterkunft hier in der Akademie zur Verfügung stehen. Von meiner Seite wäre das alles, oder hast du mir noch irgendeinen Blödsinn zu erwidern? Nun gut, Parsel wartet draußen auf dich.«
Er gab Ido noch nicht einmal die Zeit, etwas zu erwidern, wandte sich ab und verließ in der selbstgefälligen Manier, die man von ihm kannte, den Raum.
Ido kam sich blamiert vor, als er sich ebenfalls zum Gehen wandte. Er war stolz auf seinen neuen Auftrag, aber auch wütend auf sich selbst, weil er sich wie ein Narr benommen hatte. Das Ende der Welt schien tatsächlich nahe: Während er selbst sich zwanghaft auf irgendeinen persönlichen Feind versteifte und sich im Zweikampf bezwingen ließ, war aus Raven plötzlich ein besonnener Mensch geworden. Ido hatte von Parsel gehört, weil Nihal ihn ein paarmal erwähnt hatte. Allem Anschein nach war er der einzige Lehrer gewesen, der sie während ihres Aufenthalts in der Akademie ordentlich behandelt hatte.
Parsel war ein groß gewachsener, schlaksiger Mann mit dunklem Haar, einem mächtigen Schnurrbart und einer eher groben Art. Ido hatte Schwierigkeiten, diesen mürrischen Typ, der da vor ihm stand, mit dem Bild zusammenzubringen, das er sich nach Nihals Erzählungen gemacht hatte. Aber er wunderte sich auch nicht allzu sehr. Schließlich wimmelte es in der Akademie von Leuten, die ihn schief anblickten und von oben herab behandelten. Und deswegen verachtete er sie umgekehrt auch. Vor allem die Schüler, die hier ausgebildet wurden, waren fast ausschließlich verhätschelte Papasöhnchen, der Nachwuchs einer dünkelhaften Offizierskaste. Da war Nihal eine höchst seltene Ausnahme gewesen, Laio die Regel. Um dort zugelassen zu werden, musste der Vater zumindest Ritter sein oder vielleicht auch ein hoher Würdenträger bei Hof. Hungerleider wurden nicht gern gesehen. Und als wenn das noch nicht gereicht hätte, waren es praktisch nur Menschen, keine Angehörigen anderer Rassen, Bübchen aus reichem Hause also, die ständig damit beschäftigt waren, sich gegenseitig zu beurteilen. Gewiss, es gab auch Ausnahmen, doch innerhalb dieser Mauern bestand die Mehrheit der Schüler aus hirnlosen Marionetten. Bis sie dann
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